Bosnien und Herzegowina

Ostrozac – Dubrovnik (10.+11.05.)

Zurück auf der Straße, radeln wir mittags nach Mostar und schieben unsere Räder vorbei an Touristen über die alte Brücke von Mostar, dem Wahrzeichen der Stadt, das vor ca. 25 Jahren von Panzern vollständig zerstört wurde. Heute ist sie vollständig erneuert und Magnet für alle Reisenden. Am Ufer unterhalb der Brücke erleichtern wir unsere Vorräte, stärken uns für den Nachmittag und verfolgen das Spektakel der mutigen Brückenspringer die von 19 Meter in das eiskalte Wasser springen. Hinter Mostar entscheiden wir uns für eine Nebenstraße östlich der Hauptstraße die sogleich 7km steil bergauf, dann aber gleichmäßig über den Kamm der Hügelkette Richtung Capljina führt. Auf zweidrittel der Strecke erfasst uns von Osten ein Gewitter, welches uns bei einer Tanke unfreiwillig rasten lässt. In Ruhe studieren wir die Karte und als der Regen auf der Straße anfängt zu dampfen, fahren wir eine schmale Straße direkt gegenüber der Tanke hinunter. Am Ende der Straße fragt Leonie ob wir auf dem Grünstreifen neben einem Feldweg unser Zelt aufstellen können. Wir haben Glück es ist Samstag, Ines sechzehn Jahre alt, spricht hervorragend englisch und ist meist am Wochenende zu Hause. Unter der Woche wohnt sie in Mostar, dort besucht sie die Schule für Tourismus. Wir werden herzlich gebeten unser Zelt auf ein gemähtes Stück Wiese zwischen Weizenfeld und Obstbäume zu stellen und werden dann neugierig beäugt. Am späten Abend, wir hatten bereits gegessen, die Augen liegen schwer, werden wir zum Abendessen eingeladen, hätten wir das geahnt, wir hätten deutlich mehr essen können. Der nächste Morgen: Abschiedsbild vor der Terrasse, viel Sonne, luftige Abfahrt von der Hügelkette ins Tal mit freiem Kopf für die nächsten Tage, entlang der ehemaligen Eisenbahnlinie. Diese führt uns zwei Tage in direkter Verbindung meist an der Höhenlinie verlaufend Richtung Trebinje. Die Region ist teilweise in unwegsamem Gelände vermint, Schilder und Übersichtstafeln geben aber ausreichend Hinweise. Abends werden die Wassergefäße gefüllt, oberhalb der Straße auf einer Wiesenterrasse genießen wir unsere Dusche und ein leckeres Abendessen auf Steinsitzen während auf der Bergkette gegenüber die Sonne die Gipfel verlässt, kuscheln wir uns ins Zelt.

Sarajevo – Ostrozac (08. – 09.05.)

Die letzten bekannten Gesichter, es ist ein schönes Gefühl zu spüren und zu wissen, wir haben Freunde hier, die jederzeit willkommen sind. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen! Als wir Sarajevo verlassen, sind Kemal und Ivana bereits „still busy“ at their jobs and projects. Wir schließen hinter uns die Tür, der Schlüssel zweimal gegen den Uhrzeiger gedreht, die Treppe hinunter mit eingezogenem Kopf! Mit schmerzhafter Erinnerung an den Tag zuvor, als ich noch an der oberen Treppenkante hart einschädelte. Es ist Mittag der Verkehr üppig, wir wollen raus aus der Stadt, es braucht Konzentration, eine Linie ohne heftige Schlaglöcher und Bodenrampen zu zirkeln. Nach ca. zwei Stunden liegen auch die Vorstädte hinter uns und unser Weg führt uns Richtung Jablanica. Zum ersten Mal machen wir eine kurze schreckhafte Erfahrung am Ortseingang von Donji Hadzici. Nach einer langgezogenen Kurve mit uns hinterherhetzenden Hunden, die erst von uns Ablassen, als vom Straßenrand gegenüber ein Einheimischer das Rudel durch einen lauten Schrei irritiert. Danach brennen die Beine, Angst und Adrenalin stecken vor allem mir in den Knochen. Weiter geht’s auf einer schmalen Landstraße parallel zum Bachlauf. Alle paar Sekunden mit Blick in den Rückspiegel, welche Art von Verkehr von hinten naht, die Strecke vorausschauend im Auge behalten, hinter uns wird ein- oder zweimal gehupt wir sind gewarnt und meist leicht aufgeschreckt, dann wird je nach Gegenverkehr mit ausreichend oder mit knappem Abstand überholt. Gegen Nachmittag erreichen wir den höchsten Punkt. Die Wälder, Gräser und Sträucher entlang der Straße stehen in saftigem grün, mit durchschnittlich zwölf Prozent Gefälle drückt uns das viele Gepäck die kurvige Bergstraße hinunter ins Tal des Flusses Nevreta. Hier werden wir nur selten überholt, fasst sind wir gezwungen beim Überholen zu klingeln. Wir folgen dann dem Ufer entlang der Stauseen die zur Stromerzeugung genutzt werden. Die Landschaft bietet Steilhänge, Nebentäler aber kaum geeignete Plätze zum Zelten. Nachdem der erste ernsthafte Versuch einen Zeltplatz in den Steilhängen eines Nebentals, mit Hilfe bosnischer Jugendlicher, zu finden glücklos mit einem kleinen Umweg endet und uns 3 Kinder mit ihren Fahrrädern zurück zur Hauptroute begleiten, starten wir Zwei, knappe 4km später, mit geschobenen Rädern einen zweiten Versuch. Der Hang ist so steil, dass wir die Räder im ersten Drittel stehen lassen um zu Fuß die ausgespähte Stelle auf Tauglichkeit und lohnenden Aufwand zu begutachten. Auf halbem Weg taucht in einer Streuobstwiese, zwischen hohem Gras und 40 Bienenstöcken Josepf auf. Die Terrassenwiese, unser Zeltplatz, gehört seinem Bruder und ab ersten Mai, soll das Gras für das erste Heu im Jahr wachsen. Wir sind zu spät! Er hat lange kein deutsch gesprochen, seit er nach Ende des Krieges aus Deutschland zurückgekehrt ist. Josepf bietet uns bosnisch elegant für zehn Euro zwei Betten in seinem Ferienhaus an. Leonie und ich sind einverstanden. Wir sollen noch etwas Geduld haben, er nimmt uns mit ans untere Ende der Wiese, wo ein Freund von ihm Brot, Bier und Cevapcici mit frischen Frühlingszwiebeln bereithält. Danach werden die Bienen mit Zuckerwasser angefüttert und wir folgen den Beiden ins nahegelegene Dorf zur Ferienwohnung am Seeufer. Das Haus bietet Platz für zehn Personen. Die letzten Gäste dürften vor einigen Jahren hier gewesen sein. Die Grundsubstanz ist solide, der Ausstattung schrammelig, zudem funktioniert die Dusche und die WC Spülung nicht. Ein Glück finden wir einen Eimer, Seewasser gibt es ab Terrasse gratis und der Ortlieb Duschsack ist prall mit zehn Litern gefüllt. Der Abend geht auf dem Balkon mit Blick auf den See, PET-Flaschenfilter vor den Augen und leckerem Abendessen zu Ende. Wir schlafen gut, um 09:30 ist Schüsselübergabe.

Vardiste – Sarajevo (04.05. – 08.05.)

Die nächsten Tage werden es die Beinmuskeln erst mit Hügeln, mit größeren Hügeln und im Nationalpark Tara mit bergigen Passstraßen zu tun haben. Die Natur und Landschaft ändert sich, wir fahren quer über den Balkan nach Sarajevo eine 500000 Einwohner Stadt, die vergleichbar mit Freiburg oder Grenoble umringt von Bergen in einer Schüssel liegt. Unterwegs werde ich für einen halben Tag krank, was dazu führt das sich mein Magen sowohl rückwärts wie vorwärts nicht zeitgleich aber in fließendem Übergang seiner zwei Müsliportionen vom Frühstück entledigt. Wir finden die besten Zeltplätze unserer jungen Reise. Entlang der ehemaligen Ostbosnienbahn fahren wir durch gefühlte hundert Tunnel, davon fünfzig ohne jegliche Beleuchtung, unsere Nerven erzittern stets, wenn im Tunnel ein Geräusch, so laut wie ein Güterzug naht und uns dann ein LKW passiert, am Scheitelpunkt kurz nach Pale, ebenfalls im Tunnel, geht es dann steil und mit heißen Bremsen bergab nach Sarajevo. Ankunft und Überblick zur Orientierung in der orientalisch klingenden Stadt mit ihren über 50 Moscheen, orthodoxen, römisch-katholischen Kirchen und Synagoge gelingt dann spontan durch einen Fahrfehler und lässt uns die Atmosphäre auf Anhieb liebgewinnen. Harter Ritt! Die letzten Tage waren heiß, aufregend und jetzt am Etappenziel klebt uns der Auspuffruß, der Dreck und Gestank der Straße an Haut und Rad, wir stinken! Nach knapper Rücksprache mit Ivana die erst einen Tag nach uns in Sarajevo ankommen wird, organisieren wir den Wohnungsschüssel bei Kemal ihrem Freund, der uns bei seiner Arbeit im Kaffee auf zwei Apfelsaft einläd und uns kurz unterrichtet, wie wir Haus und Wohnung finden. Nach einigen Fehlversuchen an fremden Haustüren werden wir von einer älteren Dame auf den Hintereingang verwiesen, an der das Schlüssel-Schloss-Prinzip greift. Frisch geduscht schlendern wir durch das Nachtleben der Stadt, Essen Börek und gehen ins Bett. Schöne Stadt gelungene Ankunft um halb Ein kommt Kemal von seiner Arbeit zurück, es bleibt kaum Zeit ihm zu danken, am nächsten Morgen muss er um acht in der Früh zu seinem Zweitjob. „Two Jobs, to have a normal live, six days per week“ wir beide müssen erst mal schlucken. Die nächsten 2 Tage genießen wir ein Gefühl von Heimat in Sarajevo mit seinen vielen kleinen Sträßchen, Lädchen und verwinkelten Ecken. Paradox! Wir fahren Richtung Westen und kommen gefühlt dem Osten ein Stückchen näher.