Thailand III

Bangkok – Tak Bei (08.06. – 22.06.)

Es ist der 08.06.2016 gerade stehen die Zeichen der Verdauung gut und auch wenn Ulle noch scherzt das wir uns nicht scheuen sollen ein drittes Mal in Bangkok einzufallen, verabschieden wir uns in aller Freundschaft und Dankbarkeit mit der Hoffnung die Familie wiederzutreffen.

Um nicht ein weiteres Mal durch Bangkoks Rushhour zu radeln bringt uns die eingleisige Eisenbahn im südwestlich gelegenen Stadtteil Thonburi 30 Kilometer weiter in den Vorort Samut Sakhon, wo Bahnhof und Marktgelände fließend ineinander übergehen und die Straße uns weiter nach Westen trägt. Am frühen Abend fällt der Entschluss an einem Tempel zu bleiben. Wir haben bereits geduscht, gerade zieht Leonie das Zelt aus der Tasche, da setzt aus der Festhalle uns gegenüber gelegen, laute schrillernde Musik ein. Nach 30 Minuten ist die Lautstärke noch der Rhythmus unverändert und es stellt sich heraus, dass dies der Auftakt für die Bestattung und Beerdigungsfeier am hiesigen Abend ist. Ohne Zweifel werden über 100 Gäste erwartet und an eine ruhige Nacht ist keinesfalls zu denken. Das Lager wird abgebrochen, die Räder gesattelt und das Licht der Fahrradlampen wirft einen langen Kegel voraus in der Hoffnung möglichst bald eine Schlafmöglichkeit zu finden. Links der Straße an einem Tor in dessen Einfahrt ein Auto steht und zwei Männer zu Werke sind biegen wir ein. Erst ist man sich nicht einig, dann tritt eine Frau auf den Hof und winkt uns hinein auf ein großes Anwesen, welches am Ende durch einen kleinen Kanal begrenzt wird. Schnell und in aller Eile wird das Zelt installiert, die Schlafmatten aufgepustet und die Räder gegeneinander arrangiert, dann löschen wir das Licht im Garten und bringen die letzten Moskitos im Innenzelt zur Strecke. Besser konnte es nicht laufen, in aller Stille fallen wir in den Schlaf.

Salzfelder, Salzschieber, Salzlager und eintönige Straßen ohne Baumbewuchs prägen den kommenden Tag. In Cha Am, einem kleinen Provinzstädtchen weicht die Salzindustrie dem Tourismus und wir weichen ab ins Landesinnere auf der Suche nach Paul und Natt einem australisch-thailändischen Paar, dass im Nachbardorf auf einem riesigen Areal in Schiffskontainern mit drei Hunden Stellung bezogen hat. Gerade ist Paul alleine mit dem Innenausbau beschäftigt, seine Frau ist geschäftlich in Bangkok. Auf der zentralen Wohnterrasse findet das Zelt einen wahrhaft entspannten Platz. Der Ventilator wird in Richtung des Zelteingangs ausgerichtet, dann brummen wir mit Paul in sein favorisiertes Restaurant und werden glatt eingeladen 🙂 Thailand: für einen Australier das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Am Morgen gibt uns Paul  seine persönlichen Empfehlungen für die folgenden Streckenvarianten und schon rauschen wir wieder vorbei an Kanalstraßen, Resorts und kleinen Straßenshops, auf der Suche nach Frühstück in Form eines Papaya Salats. Seit der Schwarzmeerküste ist es unsere zweite Phase vorbei an offener See zu radeln. Thailand teilt sich die langgezogene Landmasse auf fünfhundert Kilometern mit Myanmar. Der Küstenstreifen fast an seiner engsten Stelle knappe zwölf Kilometer bis er sich später wie der östliche Schuh von Italien ausdehnt und mit den Zehenspitzen auf Malaysia zu stehen scheint. Die Zehen tragen, der Regierung nach, roten Nagellack, denn die Provinzen sind mehrheitlich von malayischen Muslimen bewohnt und kämpfen seid Jahrzenten für ihre Autonomie im buddhistischen Königreich.

Wir genießen das Meer und die Sandstrände auf wilde Art, denn nicht immer ist es möglich an der Kontrastgrenze zu Land und Wasser zu reisen. Es wechselt sich die Fisch- und Krabbenindustrie mit der Tourismusbranche ab, mal unterbrochen durch einen Nationalpark, dann sind es Kokosnussplantagen und weiter im Landesinneren Palmöl- oder Bananenplantagen. Doch auch die wilden Strände, an denen die einheimischen Fischer noch ihre Ruhe haben, lassen sich mit etwas Geschick aufspüren. Es sind gleichzeitig unsere Lagerplätze, ob für die Mittagshitze oder das Nachtquartier, sie sind der entspannte Kontrast zu den lauten Highways, die gelegentlich unvermeidlich sind.

Zur Dämmerung finden wir uns abwechselnd wieder in Bauruinen zwischen Luxushotels, an einem am Strand gelegenen Tempel, danach in einer Schutzhütte für Fischer, an einem unbewohnten Wochenendhaus mit Meerblick oder an einsamen Stränden. Doch allein sind wir nie, immer ist sämtlicher Hausrat, Plastikmüll und Fischereiequipment am Strand unser höchst bedenklicher Zivilisationsnachbar.

Als wir uns den roten Provinzen nähern, hat die Fastenzeit der Muslime bereits begonnen, weshalb wir zur Mittagszeit ein Restaurant für Papayasalat aufsuchen, das von Thais betrieben wird. Das Militär und Sicherheitspersonal ist hier flächendeckend präsent. Alle zehn Kilometer oder an Kreuzungen steht ein Checkpoint und alle fünfhundert Meter weit stehen zwei schwer bewaffnete Soldaten. Angst macht uns einzig die Erscheinung der Soldaten, die Menschen auf der Straße sind super nett und da die Provinzen vom Tourismus und der Förderung durch die Regierung abgeschnitten sind, ist ihr Interesse an fremden Reisenden nochmals höher. Als wir zwei Tage später die Grenze zu Malaysia mit der Fähre überqueren, haben uns die drei Tage im thailändisch-muslimischen Flair richtig gut gefallen.

 

Htee Kee – Bangkok (25.05. – 08.06.)

War das Klima am gestrigen Tag in den Keller gestürzt, so versuchte sich die Sonne heute von ihrer besten Seite zu zeigen. Dampfend steigt der gefallene Regen bereits früh gen Himmel, die Luft ist hmm… Hamam! Und unsere Körper sind schweißgebadet, hemmungslos überfordert, ohne Wind und kühlenden Effekt. Zudem liegt uns das letzte Essen aus Myanmar das wir kurz vor der Grenze zu uns genommen hatten ungewohnt unangenehm im Bauch und es wird sich bald zeigen, dass ohne Medikamente keine Besserung zu erwarten ist.

Am Wat Tham Pu Wa, in den OSM-Karten nicht erwähnt, etwa 15km südwestlich von Kanchanaburi in den Hügeln gelegen, ist die Tagesetappe zu Ende. Die Pilgerstätte wirkt wie aus dem Boden gestampft, eine Art Holidaypark für Wochenend – Buddhisten. Ein hässlicher Nachbau des Anchor Wat Tempels steht uncharmant vor dem Eingang einer großen mit betonierten Wegen versehen Tropfsteinhöhle, in der in jeder freien Nische eine Buddhastatur den Besucher entzückt. Auf dem großen Gelände steht eine Veranstaltungshalle, ein Kongressgebäude, Unterkünfte, sanitäre Anlagen, der große sitzende Buddha und der lange liegende Buddha wird gerade aus Beton gegossen. Uns entzücken die frei zugänglichen Duschen und Toiletten, nachdem wir längere Zeit im Schatten schläfrig auf der Parkbank gelegen hatten, denn unser Geruch hatte stets eine Wolke an Insekten zur Folge, die in gewohnter Ausdauer und unerschrocken ihrer Belästigung nachfliegen. Frisch geduscht vergewissert sich Leonie, ob es den vorbeilaufenden Mönch stört, wenn wir unser Zelt auf dem Arial aufbauen würden. Er lacht, eilt hastig davon und kommt zurück mit diversen Schlüsseln, um uns in einen der Bungalows einzuladen. Überrascht nehmen wir das Angebot wahr, eine junge Frau bringt uns zudem unglaubliche Mengen 3 in 1 Kaffee und kurze Zeit später sitzen wir auf der Veranda und bechern eine Tasse nach der anderen. Drei Nächte meinen es die Gastgebergötter bereits gut mit uns! Ganz anders ist unserem Magen und dem Verdauungsapparat zu Mute. Die Nacht ist durch eine vorzüglich funktionierende Klimaanlage zwar auf europäisches Niveau temperiert, doch die hohe Frequenz der Toilettengänge und die mäßige Qualität des Abgangs lässt den Körper und Bauch nicht zur gewünschten Ruhe kommen.

Mit einem gewaltigen thailändischen Frühstück, das uns in seiner Masse fast ins Kojakoma katapultiert, setzen wir unseren Mägen eine schwierige Tagesaufgabe vor und sind froh, dass es nach Kanchanaburi nur noch bergab in die Stadt geht. Dort schocken uns die für einen Massentourismus ausgelegten Hotels, Hostels, Gästehäuser, Tour- und Reiseagenturen, Burger- und Schnitzelhäuser nach Wiener Art und die Thaimassagestudios aus denen die schrumpeligen, hellhäutigen, meist stark behaarten Rentner ins Freie treten und sich für den Preis eines guten Abendessens für ein oder gleich zwei Stunden haben massieren lassen. Augen und Rosette zukneifen, einchecken und im BlueStar Guesthouse schnell erleichtert auf Toilette gehen! Es geht mir nicht gut, Leonie ist etwas besser drauf, ich sehe den ganzen Tag nur das kleine Bungalow von innen und bin froh, als die Kraft am Morgen reicht um das Fahrrad über die Treppen auf die Straße zu tragen.

Bangkok, das erklärte Ziel, liegt 150 Kilometer östlich, es braucht zwei per Anhalter Fahrten, von der uns eine missverstanden, direkt zum Phra Pathom Chedi, der mit 127m höchste buddhistische Chedi weltweit fahren und einiges an Ausdauer, dass wir am Abend völlig erledigt in Bangkok bei Familie Dramé ein zweites Mal vor der Türe stehen.

Als Sie uns die Tür öffnet, lacht sie uns ein „Willkommen zu Hause!“ entgegen und später am Abend sitzen wir zusammen mit ihr und Abdu beim Abendessen, wo jeder auf den neuesten Stand gebracht wird. Gerade ist Niymma auf Kulturklassenfahrt in Singapur, Abdu wartet gespannt auf das rein spanische Champeans Leage Finale und Ulle geht wie gewohnt ihrer Arbeit nach. Eben wie zu Hause.

Die Tage fliegen an uns vorbei, ich nutze zum ersten Mal meinen Versicherungsschutz, auf Grund meines anhaltenden Durchfalls und Erschöpfungszustands und gleichzeitig werden Ideen und Pläne zur Weiterfahrt mit all ihren Optionen gesponnen und oft wieder verworfen. Es dauert Tage bis sich unsere Route weiter Richtung Süden zu festigen scheint, ein erneutes Einreisen in Myanmar ohne eine sichere Zusage für ein Pakistanvisum, der Weg zurück über China, die Mongolei und mit der transsibirischen Eisenbahn nach Moskau oder doch mit der Fähre von China über Japan nach Vladivostok sind da bereits in weiter Ferne. Damit nehmen wir zugleich schweren Herzens Abschied von unserer „non – flight“- Reise. Denn auf dem Weg nach Singapur soll spätestens die Zu- oder Absage durch Pakistan zu radeln eintreffen und die Entscheidung fallen ob wir nach Kathmandu oder zurück nach Europa fliegen. Da sich die Sicherheitslage in Pakistan jedoch weiter zuzuspitzen scheint, glauben wir schon bald nicht mehr ernsthaft an ein Visum und unsere Pläne schweifen in den europäischen Sommer, auch wenn es später alles ganz anders kommen soll.