Myanmar

Bagan – Dawei – Hteekee (18. – 25.05.)

Der Plan B im Schatten des Taifun!

Es ist das Gefühl von Enttäuschung, dem nicht wahr haben wollen, wenn plötzlich die Entscheidung jemand anderes fällt. Zurück nach Thailand so viel ist klar, doch wieder über Mae Sot, das können wir uns nicht wirklich vorstellen und was soll danach kommen? Nach zerreisenden Diskussionen entschließen wir uns teils mit dem Rad, teils mit dem „Sprungreitturniert auf Schienen“ zurück nach Bangkok zu reisen. Unser Pakistan Visum liegt noch immer in der Schwebe, gut möglich das es unterwegs Neuigkeiten oder gar eine positive Rückmeldung gibt und die Karten neu gemischt werden. Also raus aufs Rad, raus aus Bagan und hinein in den Regen. Denn gerade als wir auf den sandigen Pisten durch die weite Ebene der riesigen Tempel manövrieren, setzt der erste Regen des sich anbahnenden Taifuns ein. Als der Bahnhof zehn Kilometer entfernt in Sichtweite kommt, sind die Pläne bereits die Sonne von Gestern und das triefende Nass unserer Kleidung lenkt uns direkt zum Ticketschalter.

Das Ziel oder die Idee ist, die Grenze zu Thailand auf der Höhe zu Bangkok zu überqueren. Das bedeutet mit dem Zug bis in den äußersten Süden des Schienenverkehrs zu hopsen und in Dawei, der letzten Bahnstation entlang der Küste, den Weg durch die Berge zum Checkpoint zu nehmen. Gesagt getan! Zwar ist es nicht möglich ein durchgängiges Ticket für Mensch und Fahrrad direkt in Bagan zu erwerben, doch es lässt sich in Erfahrung bringen, dass wir stets mit einem Anschlusszug rechnen können. Zwei Nächte und zwei Tage später erreichen wir Dawei, der Taifun wütet noch immer. Hinter uns liegt der Streckenabschnitt zwischen Mawlamyine und Dawei, der im dichtesten Urwald, in engen Tälern mit giftigen Steigungen der Diesellock und den Passagieren alles abverlangt. Die Szenerie ist beeindruckend! Mal hat man das Gefühl mit einem Flugzeug durch das dichteste Dickicht zu rauschen, dann schwebt man wieder durch Baum- und Bambuskronen und dabei rennt der Esel über Stock und Sein. Hält der Zug an kleinen Zwischenstationen sind gleich Frauen und Männer am Bahnsteig und bieten Leckereien aus ihrem Garten oder den umliegenden Feldern an. Mit etwas Glück kaufen wir von einer Dame die besten Bananen die wir in Asien je gegessen haben, so reif, süß und prall, das wir eine nach der anderen verspeisen und die Mitreisenden schon Scherzen, wann wir wohl zur nächsten greifen.

Am späten Abend, gerade als die Räder auf dem Bahnsteig stehen setzt es wieder einen heftigen Schutt Regen und als ein junger Mann die Tür zum Bahnhof öffnet staunen wir nicht schlecht! Auf dem Boden der riesigen Bahnhofshalle haben viele Reisende und Familien ihr Lager aufgeschlagen. Auf Bambusmatten, Decken, Plastiktaschen oder Longies liegen die kurzen Körper der einheimischen Reisenden, die später im Zug so einfach Platz auf oder unter den schmalen Bänken finden. Kinder tollen herum, aus einer Ecke hört man ein Baby kreischen und unter den undichten Stellen der Dachkonstruktion sammeln sich erneut die Wasserlachen. Im Trockenen beratschlagen wir kurz unsere Möglichkeiten und nachdem ein Polizist einwilligt uns auf der Empore übernachten zu lassen, schlagen auch wir unser Lager auf. Ganz selbstverständlich machen wir es uns in einer trockenen Ecke „gemütlich“ und schlafen bald ein.

Als wir uns am Morgen fertig machen um in Dawei ein Gästehaus ausfindig zu machen sitzen die meisten Reisenden bereits im Zug nach Norden und wir nach Westen auf den Rädern in die Stadt. Dawei liegt am gleichnamigen Fluss, der hier ruhig durch ein breites Tal fliest. Eingefasst durch die kleine Hügelkette im Westen, die zur Andamanen See abfällt und der im Osten gelegenen Berge des Nwalabo Taung Gebirges, hat die Stadt ihren eigenen Charakter ähnlich wie Pyay behalten. Die Strände sind zwar an mancher Stelle auf das unästhetischste für den Tourismus erschlossen, doch das betrifft die Stadt wenig, da hier allenfalls das salzige Meerwasser den Fluss hinaufdrückt, sonst aber kein Strand in Sicht liegt. Die Menschen sind herzlich und offen. Stadtgespräch ist meist der im Bau liegende „industrial corridor“ der inklusive eines neuen Hafen in Dawei in Planung liegt und später Waren über die Berge nach Thailand oder in entgegengesetzter Richtung aufs Meer bringen soll. Man hofft allgemein auf besser bezahlte Jobs und unterhält sich über die junge Generation, die meist auf dem Sprung ist in Thailand, Singapur oder Malaysia nach einem solchen zu suchen.

Am Nachmittag lässt sich die Sonne blicken. Die kleinen Straßen beleben sich, an verschiedenen Ecken kosten wir die Küche aus Dawei und stolpern mit unserer Mustervorstellung über den Markt auf der Suche nach einem attraktiven Longie und einer verlässlichen Information über Qualität und Beschaffenheit der Verbindungsstraße von Dawei nach Htee Kee, dem Grenzübergang nach Thailand. Den Aussagen der Burmesen nach existiert die Straße. Asphalt, Feldweg, Auf und Ab, ein Mix aus Beschreibungen, eine versierte Einschätzung ist nicht auffindbar. Umso mehr sind wir erleichtert, als die ersten Schätzungen der Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich hauchdünn gegen den ÖVP Kandidaten stehen. Genauso geht es den drei Reisenden aus Österreich, die sich andernfalls in Grund und Boden geschämt hätten und nun am Abend aufatmend mit uns vor der Tür des Gästehauses sitzen, Erlebtes austauschen und viel Lachen.

Mit der gleichen Sonne von gestern, Nan und süßen Kokosmilcheiern, liebevoll auf offenem Feuer in einer gusseisernen Backform gebacken, verlassen wir die österreichische Delegation und Dawei auf der asphaltierten Straße Richtung Westen. Grüne satte Wiesen, Reisfelder und dichter Urwald oder Betelnussplantagen zieren die Landschaft, nie war Myanmar so frisch und grün wie hier. Doch schon bald steigt die Straße durch ein Tal über den ersten Gebirgskamm und die Wiesen und Felder verschwinden. In einer engen Kurve kommen wir ungläubig ins Stocken, auf dem Hof einer Familie liegt ein fünf Meter langes Ungeheuer von Schlange, der ihr Kampf um Leben und Freiheit blutig ins Gesicht gezeichnet ist. Ich bin tief beeindruckt und gerade hat mich jeglicher Mut verlassen in dieser Gegend unser Zelt aufzustellen. Es sind kleine Dörfer die die Straße säumen und es zeigt sich, dass es eine Periode im Jahr geben muss, in der größere Mengen an Urlaubern entlang dieser Straße kommen, sonst wäre die Restaurantbranche nicht derartig ausgebaut. Zudem stimmt es uns zuversichtlich und schon hoffen wir auf eine durchgängig asphaltierte Straße.

Als sich die ersten schweren Wolken über uns zusammenziehen verlassen wir gerade eines der Dörfer die nicht im Kartenmaterial eingetragen sind. Um die Kurve steigt es nochmal an Höhe, dann fallen die ersten fetten Tropfen, der Blick fällt auf einen kleinen Tempel oberhalb der Straße auf einem Hügel, doch bevor wir die Auffahrt erreichen schüttet es sagenhaft aus den Pforten des Taifuns und wir retten uns halb nass, halb klamm unter einen Bambusverschlag, den auch ein Mopedfahrer bereits aufgesucht hat. Der Schotterparkplatz des dicht gelegenen Teehauses ist sogleich geflutet, der Tempel im Himmel versunken, nur vom Teehaus schimmert ein schwankendes Licht zu uns unter dem maroden Dach hinüber. Eilig hastet ein Mann von dort herbei und drängt uns Schutz unter seinem Dach zu suchen. Noch hoffen wir darauf, das der Regen wie die vergangenen Tage in den nächsten zehn bis fünfzehn Minuten wieder aussetzt, doch als er uns ein zweites Mal zu sich winkt und keine Besserung in Sicht ist, greifen wir beherzt unsere Fahrräder und warten durch schlammiges Wasser hinüber zu Soe Thu Htwe, seiner Frau, seinem Sohn und dem Bruder des Familienvaters. Er läd uns ein zu heißem 3 in 1 Kaffee, Bier, einem einfachen Reisgericht zum Abendessen und einem Schlafplatz im Trockenen. Ohne Zweifel hat es die Familie gerade nicht leicht, der Kleine ist am Husten, seine Mutter auf Grund einer Fehlgeburt körperlich und in Gedanken in tiefer Trauer, da sind die beiden Brüder mehr denn sonst gefordert und trotz seiner Beeinträchtigung Hilft der Onkel des kleinen Sprößlings, der hin und wieder ein Lächeln in das Gesicht seiner Mama zaubert, so gut und eifrig er kann. Zum Duschen wird uns ein zweiter Longie für Leonie gereicht, dann danken wir unseren Gastgebern und finden wohl duftend eine geruhsame Nacht ohne Angst vor Schlangen oder weiteren Regenschauern gleich neben den Verkaufstresen.

Nach Kaffee und den besten Wünschen ihrer- und unsererseits setzen wir den Weg am frühen Morgen fort. Kurz darauf endet der Asphalt in einem Dorf und nach dem Militärposten vor der Brücke führt eine ruppige Erdstraße flussaufwärts durch ein Gebiet, welches von einer autonomen Volkgruppe kontrolliert wird und ihr eigenes Militär stellt. Als die Straße in einer Flussbiegung das Tal des Flusslaufs verlässt, stehen wir fassungslos vor der sich aufbäumenden Steigung und unsere Augen klettern ungläubig suchend zum nicht sichtbaren Scheitelpunkt. Sofort ist klar, die Art der Steigung ist weder fahr-, noch schiebbar und selbst zu zweit an einem Rad werden wir all unsere Energiereserven an einem einzigen Anstieg lassen. Doch ein Blick auf die Karte verrät unmissverständlich, dass geschätzte zwanzig solcher und durchaus kraftraubendere Passagen folgen werden. Stur und unglaublich überzeugt starte ich den Versuch mein Rad gen Himmel zu schieben, während Leonie am Sockel vernünftig wartet und nur den Kopf schüttelt bei meinem Versuch Zentimeter für Zentimeterchen die Schwerkraft zu überwinden. Gerade sind es wieder glückliche vier Zentimeter auf einmal, da hält unten ein Pickup neben Leonie, der uns anbietet die Räder und uns auf die Ladefläche zu packen. Sofort willigen wir ein und nach fünf Minuten stehen wir konzentriert, mit festem Stand, einer Hand am Fahrrad und der anderen an einer Art Reling, die sich über die Fahrerkabine schmiegt, auf dem Pickup. Dann gibt es ein kurzes Zeichen, dass wir losfahren und schon klettert die Maschinen den Remmel empor. Nach jeder Kurve die über einen neuen Kamm ins nächste Tal sich biegt, zählen wir die Rampen die vor uns liegen und können nicht glauben, dass die Laoten hier ihre wahren Meister gefunden hätten. Kerzengerade legt sich die teils ausgewaschene lehmige Geröllspur in den Berg und hat an den verrücktesten Stellen annähernd zwanzig Prozent Steigungswinkel. Wer hier im Hang anhält oder liegen bleibt riskiert ein riskantes Anfahrtsmanöver, weshalb die meisten Fahrer unten mehrmals hupen um sich einer freien Bahn zu versichern.

Unterdessen setzt der Regen ein, ein junger Burmese mit Rucksack steigt mit zu uns auf und der Fahrer brettert sobald es das Terrain zulässt, mit aller Wucht der Grenze entgegen. Durchgefroren und klatsch nass, ist die Fahrt drei Kilometer vor der Grenze zu Ende. Der Fahrer lächelt und geht dann zu seinem Bauprojekt, das direkt am „industrial corridor“ liegt und später ein Restaurant werden soll. Wir danken und sind überglücklich, dass wir diesen Abschnitt hinter uns haben. Bis zum Grenzposten begleitet uns noch die Offroadstraße, die ihren Namen mit Stolz tragen darf. Danach sausen die Räder gleich auf gebügeltem Asphalt wie auf einer neuen Autobahn hinunter ins Tal.

Welcome to Thailand! Es sind nur wenige Meter nach einer Kreuzung als uns ein Mann auf Englisch anspricht, der an der Straße Betonelemente anfertigt, wo wir heute Nacht bleiben? Wir sind nicht sicher antworten wir. Sofort schlägt er vor in seinem Verschlag hinter seiner Garage zu nächtigen, es wäre alles vorbereitet, Radfahrer hätten dort schon häufig übernachtet. Toilette, Dusche, ein Dach und genügend Platz für unser Zelt. Klar, dass wir bleiben!

 

Yangon – Pyay – Bagan (09.05. – 18.05.)

Schon an der Fähre zeigt sich ein neues anderes Bild der Stadt, schippernde Gemüsehändler oder Fischer, die direkt von ihren Booten an den Anlegerpfosten, die Waren nach oben zu den Passagieren abverkaufen. Mangos, Ananas, Fische aller Art. In Dala präsentiert sich der Straßenmarkt, doch der Tag ist nichtmehr jung, die Sonne sitzt uns bereits im Nacken und so passieren wir schnell das bunte Treiben Richtung Westen. Die Straße ist qualitativ gut, an vielen Stellen wird sie von Arbeitertrupps sogar systematisch geflickt. Das sieht man bereits von weitem, wenn dicke Nebelschwaden aus der Ferne aufsteigen, dann lodert dort bereits ein energetisches Feuer unter alten zerbeulten Ölfässern in denen der Teer auf Verarbeitungstemperatur gebracht wird. In drei Schritten entsteht später der Straßenbelag. Erst werden Faustgroße geschlagene Steine im verdichteten Untergrund mit Teer verklebt, dann werden die Lücken mit einer Art Split abgepuffert und letztlich die Fahrdecke verteilt, glattgezogen und durch den passierenden Verkehr verdichtet, fertig! Der Gestank auf einem Bauabschnitt ist atemberaubend und nie ist es möglich genügend Luft für das Passieren in den Lungen zu speichern! Kaum ein Wunder, dass dieser Job von Frauen und Jugendlichen erledigt wird.

Umgeben so weit das Auge reicht, von Reisfeldern und Fischfarmen, die durch den Kanal der links wie rechts entlang der Straße fließt, gespeist werden, war die Option abseits der Straße zu campieren bis einschließlich der Mittagspause, gleich null! Es finden sich später kleine meist zerfallene Bambushütten, doch ein Zeltplatz ist auch bis in die Dämmerung nicht ansatzweise in Sicht. Körperlich ziemlich zerstört, biegen wir mit den Rädern auf einen fußbreiten Pfad ab, der zwei Reisfelder voneinander trennt um die nicht enden wollende Kanallogistik zu überqueren und gelangen nach ca. 500 Metern in eine belebte mit 300 Mönchsschülern, stattliche buddhistische Schule. Zu unserem Glück sind einige der Mönche mit der englischen Sprache nicht unvertraut und es lässt sich zumindest erklären, dass wir einen Platz zum Schlafen suchen und morgen weiterreisen werden. Das Wort „Reisen“ legt in diesem Moment den Schalter um und schon gleich wird das Essen serviert und süße Sirupgetränke gereicht. Kaffee, Tee oder Betelnuss alles steht zur Auswahl und eine Masse an Mönchen um uns herum. Es sind neugierige, fragende Blicke und eine Mimik, die zeigt dass sie amüsiert sind, wie hungrig wir beide sind. Zeit zu Bett zu gehen, frisch geduscht und schon wieder nass geschwitzt bauen wir unser Innenzelt im Freien nahe einer Stupa auf und können es nicht glauben, dass in diesem Moment die Soundanlage eingeschaltet wird und der gesamte Komplex bis hin in ferne Nachbarschaftshäuser mit einer immer wiederkehrenden Versreihe durch die Nacht bis zum Morgen ausdauernd von zwei sich abwechselnden Mönchsstimmen beschallt wird. Selbst Oropax bringen keinen nennenswerten Erfolg, umso erstaunlicher, dass um den kleinen Stupa die Mönchsschüler ihr Bett im Freien beziehen und kurze Zeit später eingeschlafen sind, trotz der Lautstärke und der nicht unerheblichen Anzahl an Moskitos.

Erschöpft aber mit guter Miene sitzen wir am Morgen bei Kaffee und Nudelfrühstück in der Tempelanlage. Es ist noch früh als Leonie zum Abschied nochmal kräftig klingelt und wir zurück auf unsere Hauptroute den Kanal überschieben. Als der Yagon – Pathein – Highway dazustößt und wir an der Weggabelung erstaunt dem Verkaufsgeschick der körbetragenden Frauen an der Bushaltestelle zusehen, die Obst, Wasser, Säfte, Kaffee und Reisgerichte auf ihren Köpfen an die Busfenster balancieren um dann das Geld entgegenzunehmen, wird klar, jetzt steigt das Verkehrsaufkommen bis wir den Irrawaddy kurze Zeit später überbrücken werden und ihm weiter nach Norden folgen. In einer Flussbiegung die gleichwohl Fähranleger als auch Anleger für die Kähne von Handelswaren dient, wird der Blick frei auf ein kleines Stück Leben am großen Strom. Schiffe mit Bambusholz legen gerade an, kleine Privatboote fahren hinüber nach Nyaungdon, eine Frau wäscht ihr Kleidung am Ufer und eine andere geht zurück auf den Sandansaugerkahn inklusive Beiboot, um ihrem Mann bei der Arbeit zu helfen. Sie lässt es sich nicht nehmen, kurz mit uns zu quatschen um uns dann eine Safttüte in die Hand zu drücken. Sie lacht und als der Kahn hinaus auf den Fluss fährt winkt sie beherzt zurück zu uns, die wir im Schatten stehen. Mit einem älteren Herrn, der sein wackliges Fahrrad schwer bepackt die kleine Böschung emporschiebt, setzen wir unsere Fahrt fort.

Es dauert allerdings nicht lange bis uns die Hitze zum Trinken unter einer kleinen Bretterhütte stoppen lässt, an der ein staubiger Weg hinunter in einen Hof führt. Erst rufen und winken ein paar Kinder „Mengelabaa“ hinter den Sträuchern und kichern dann davon, dann kommt eine junge Frau, die uns zu sich hinüberwinkt. Gerade getrunken und mit dem Blick auf die Wasserreserven gehen wir der Einladung nach und finden uns kurze Zeit später bei einem üppigen Mittagsessen in einem kleinen Tempel wider, deren Mönche gerade einen Ausflug unternehmen. Die Küche tischt auf und freut sich an unserem gesunden Hunger, die Kidis wedeln und fächern uns währenddessen frischen Wind zu und kichern nach jedem Wort Englisch, dass ihnen einfällt. Die Atmosphäre ist familiär, die Frauen und Kinder zählen insgesamt fünfzehn und nur ein Mönch ist im Tempel geblieben. Als wir zurück auf die Räder und die Straße deuten, schnellt eine Dame mit Bananen und Mangos aus der Küche hervor. Als wir versuchen das voluminöse Obst zu verpacken stehen alle interessiert daneben, um sich das Gepäck und die Taschen genauer anzusehen, dann geht es weiter mit viel Dank und einer herzlich winkenden Küche und ihren Sprösslingen.

Es ist heiß, das Wasser geht durch uns durch ohne das Leonie je von Erfrischung spricht, zudem sind die langen Nachmittage im Schatten keine wirkliche Erholung und so radeln wir mit Magendarmdysfunktion in den Abend und verstecken uns hinter einer alten Bahnschienentrasse auf einem trockenen Reisfeld.

Hinthada ist zwei Stunden von hier und damit das Gästehaus und ein erholsamer Tag nicht weit, so unserer beider Hoffnung. Halbwegs erholt, im Vergleich zur Nacht bei Tempelgesang, fast wettkampftauglich, rollt es gradlinig nach Hinthada mit kleinen Stopps an morgendlichen Frühstücksständen erreichen wir die geschäftliche Innenstadt. Nach mäßiger Verhandlungskunst und vier verschiedenen Hotels, die das Prädikat „lausige Pensionen“ tragen sollten, die für Fremde 25$/Nacht verlangen, verlassen wir die Stadt mit frischem Trinkwasser und einigen Süßigkeiten vom Marktplatz, um den inneren Frust zu überwinden. Die Straße wird im Anschluss zur Belastbarkeitsprobe für Mensch und Maschine. Wieder ein Nachmittag im Schatten in eigener Brühe in einem leerstehenden Straßenladen oder Restaurant. Die positive Stimmung ist vorsichtig ausgedrückt sehr verhalten, wenn ich meine Reisepartnerin richtig einschätze. Mir macht die Hitze nicht so sehr zu schaffen, solange es ausreichend Wasser zum Trinken gibt leidet meine Stimmung nicht wesentlich unter der Sonne. Doch der Tag und die Nacht sollten noch mehr für uns bereithalten.

Als wir nach viel Staub und wenigen Kurven in einem Dorf einfahren, werden wir zum ersten Mal die burmesische Eisenbahn in ihrer vollen und gemütlichen Pracht von außen bestaunen und ihr hinterherblicken, wie erst sie und dann der gesamte motorisierte Verkehr, Radfahrer und Fußgänger, die mit dicken Balken belegte Brücke überqueren. Einschließlich uns, die wir entzückt und vorsichtig die Drahtesel über das Stahlholzkonstrukt schieben. Da die Sonne bereits die Reisfelder küsst und eine größere Ortschaft meilenweit entfernt ist, sind wir bei den letzten Strahlen der sonst so erbarmungslosen Kugel, gehalten anzuhalten. Die Polizei auf dem Moped will uns nicht recht glauben, dass wir, so versuchen wir den Beamten zu versichern in Myanaung ca. 50 Kilometer von uns, im Gästehaus eine Bleibe finden werden. Ich zeige ihnen die Straßenkarte und Lichtanlage, doch wir setzen unseren Weg nicht alleine, sondern in Begleitung eines Beamten fort. Leonie schnell etwas ungehalten, wirkt gereizt nach der misslungenen Unterkunft und den belastenden Temperaturen. Ich versuche es mit einer „Stopp and Go“ – Taktik, mal Pipi machen, dann etwas trinken, kurz anhalten um sich von etwas zu vergewissern, die Karte checken, Luft pumpen und stetig gute Laune dem Beamten gegenüber verbreiten. Nach einer halben Stunde ist er plötzlich verschwunden wir schalten die Lichtanlage aus, wechseln zu den Stirnlampen und steuern in einen Hof eines Hauses und rufen vorsichtig „Mengelabaa“ um nicht gleich den oder die erste/n zu erschrecken. Ganz entspannt kommt ein junger Mann aus dem Haus, sofort lächelt er und wir fragen nach Wasser, welches im Haus aus der Leitung in unseren Duschsack schießt. Schnell reicht seine Frau Süßigkeiten und bleiben sollen wir natürlich auch bei Ihnen. Wir lehnen schweren Herzens ab, da wir die Situation mit der Polizei die noch vor zehn Minuten hinter uns fuhr nicht einschätzen können und der liebenswürdigen Familie keine Probleme bescheren wollen. Schnell ist der Facebook Account offen und wir werden Freunde, die sich verabschieden in die Nacht und die nach einigen Erdwällen Zuflucht im Mondschatten unter Zuckerpalmen finden. Schnell noch ein paar Steine nach Hunden schmeißen! Voilà!

Zum ersten Mal passieren wir am Morgen einen Ort der groß genug ist, um auf einem der Morgenmärkte einzukaufen und zu frühstücken. Der stationäre Markt ist noch im Halbschlaf da sitzen einige Frauen bereits mit ihren Waren entlang der Straße und breiten diese auf Planen oder Tüchern aus, andere haben ihr Angebot bereits fein strukturiert in einem Korb aufgestellt. Als wir zur Mittagszeit in Myanaung einradeln liegt eine lange Strecke voller Zuckerpalmenplantagen und eine skurrile Erdnussölmühle hinter uns. Die Menschen, stets beschäftigt den Zuckersaft zu ernten, im Flussbett Gras zu schneiden oder Reisfelder zu pflegen, winken uns mit breitem Lachen zu, wenn wir laut „Guten Morgen“ rufen. Am Ortseingang trocknet eine Frau gerade Mangofruchtleder auf dem Dach das sie uns kosten lässt. Dann geht es auf den Markt der gerade Mittagsschlaf hält und so essen wir buntes glibbriges Eis aus Topiakamehl, kaufen kleine Süßigkeiten aus dem Zucker der Palmen und eine spezielle Art Halva, die uns vorzüglich Energie bringt.

Der Platz für eine Nachmittagsrast ist nicht gleich gefunden. Zu steil fällt der Hang zum Irrawaddy hin ab und erst nach ein paar Versuchen finden wir einen kleinen Zugang, der im Schatten liegt. Doch leider ist zum Erholen zu viel Trubel und abermals wechseln wir die Lokation und finden uns später in einer Werft unter Bäumen wieder, wo die Arbeiter in ihren Pausen am kleinen Betelstand ihre Päckchen Betel kaufen. Die Schiffe die hier zusammengeschweist werden sind von großem Ausmaß, genau wie Leonies Schlaf, den sie auf einem Podest lange ausbreitet. Zeit genug um mein ramponiertes Schutzblech zu flicken, was mir unter den Augen der Betelkonsumenten dann auch gelingt. Unser Tag findet sein Ende nach einem kühlen Regenschauer, Abendessen an einer Raststätte und einer ersten Passkontrolle am Checkpoint, auf einem abseits gelegenen Hügel, gleich neben einer zerfallenen Hütte, deren Material wir als Sichtschutz um unser Zelt arrangieren.

Let’s go Pyay! Eine Stadt, die knapp 70 Radkilometer weiter nördlich am Irrawaddy liegt und aus Erzählungen Pagoden, Tempel und reichlich Flair verspricht. Sehr früh sind wir auf den Rädern, trotzdem sitzt bereits eine Gruppe Frauen unten an der Straße, wartend auf eine Mitfahrgelegenheit. Erstaunt verfolgen uns ihre Blicke Richtung Norden, als wir auf ihrer Höhe auf die Straße einbiegen. An der Straßenkreuzung die wir einige Stunden später erreichen, wo es nach Westen hin durch die Berge hinüber zur Küste geht und nach Osten zu unserem Ziel, finden wir einen Ort mit Markt, der uns für eine Weile, auch auf Grund eines Burmesen der gutes englisch spricht, halt machen lässt. Erst jetzt merken wir wie hungrig wir sind, war das Frühstück doch sehr spärlich ausgefallen.

Die Hügel vor Pyay rauben uns dann die letzten Reserven an Energie und  als die Sonne Leonie am steilen Hügel in Atemnot bringt, verbringen wir den Nachmittag unter dem Dach der Familie von Wing Khang, die hier eine kleine Raststätte unterhält, welche gleichzeitig ihr zu Hause ist. Wäre der Verkehr nicht so durchdringend laut und ein Platz zum Zelten weniger rumpelig und müllig gewesen, hätten wir die Einladung zu bleiben womöglich angenommen. Doch so entschieden wir uns auf den letzten Metern vor Pyay in den Bergen einen ruhigen Platz auszumachen, was uns kurze Zeit später, nach kurviger Abfahrt hinunter zum Fluss, unmittelbar vor der Brücke in einen Mangobaumgarten drängt. Im Schatten in Sichtweite zum gegenüberliegenden Ufer fallen über Nacht die Mangos von den Bäumen und weiter entfernt donnern die LKWs über die Brücke.

Mit Radtaschen voller Mangos, die wir am Morgen bei Sonnenaufgang aufgelesen hatten passieren auch wir mit einer Gruppe Frühsportrentnern den stets imposanten Fluss, der hier vergleichbar mit dem Rhein, verhältnismäßig stark von Schiffen jeder Größe befahren wird. Die Stadt hält was sie verspricht! Rund um den Shwe San Taw Pagoda füllt man sich prompt im Herzen Myanmars. Über eine kleine Gasse grüßt bereits von weitem ein riesiger sitzender Buddha und unterhalb der auf einer Anhöhe liegenden Tempelanlage bewahrt die Innenstadt mit ihren vielen Teehäusern, indischem, muslimischem und burmesischem Essen ihren Charakter. Drei Tage erstaunt uns die offene und freundliche Atmosphäre an jeder Ecke, früh morgens lebt der Markt und die Essensstände bieten mit den Teeküchen eine große Auswahl an interessanten und bekannten Snacks. Gegen späten Nachmittag und hinein in den Abend kommt das Leben dann erneut in Schwung und am Joghurtstand zwei Blocks weiter, wo gerade die Straße aufgerissen wurde, herrscht reges Treiben!

Es ist eine erholsame Zeit mit den Menschen aus Pyay und den wenigen Reisenden die wir treffen. So reift der Entschluss, am Abend des dritten Tages mit dem Zug die Strecke nach Bagan, welches als Zentrum der historischen Hochkultur in Myanmar galt, abzukürzen, um gleichwohl genügend Zeit für die Wegstrecke weiter Richtung Norden zu sichern. Viel hatten wir vom Zug fahren im Lande noch nicht gehört. Einmal erreichte uns eine Beschreibung: Als Fahrgast fühle man sich wie auf einem Esel auf zu kurzen Beinen! Diese Aussage sollte nur zu genau zutreffen und mit Spektakel im Wagon noch zusätzlich seine Würze verfeinern. Wir folgen also der Anweisung, den Bahnhof ca. Zwei Stunden vor Ankunft des Zuges aufzusuchen, welcher weit außerhalb der Stadt gelegen ist. Denn erst eine Haltestelle vor unsere Haltestelle, wird der Ticketschalter informiert, wie viele Plätze im Zug frei geworden sind und wie viele Fahrscheine er dementsprechend verkaufen kann. Der Kunde hat zudem die Wahl zwischen: Sleeper, First Class, Second Class oder Ordinary welche in der Ausstattung auf dem Boden festgeschraubten hölzernen Parkbänken gleich kommt. Wir entschließen uns für Ordinary! Eine gute Wahl, denn wir haben das Glück einen der selteneren bepolsterten Wagen besteigen zu dürfen. Wir werden zwar etwas ungläubig beschmunzelt als wir uns setzen, aber dann gewöhnt man sich an unseren Anblick und die Lock zieht sanft an in Richtung Bagan. Danach verliert die Fahrt all ihre Jungfräulichkeit und der Ritt hat zeitweise mehr mit einer Art Sprung-Reit-Turnier für Zugreisende zu tun, bei dem die einzelnen Zugabteile sich gegensetzlich von links nach rechts schaukeln und der Durchgang zum folgenden Abteil manchmal nicht mehr sichtbar ist. Zehn Stunden dauert unsere Fahrt durch die Nacht, die die meisten Passagiere auf dem Boden auf ihrem Tuch oder Ersatzlongie verschlafen, während bei jedem Sprung, schlafende Körper kurz abheben und in ihrer entspannten Schlaffheit sicher wieder ihren Platz finden. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Verkaufskultur bei Busreisenden an Haltestelle? Am frühen Morgen verhält es sich praktisch ähnlich, außer das für die Zeit des stehenden Zugs die lecker duftenden Snacks und Kaffee-Akrobaten durch die Abteile balancieren uns laut ihre Waren anpreisen. Als die Räder mit uns am Bahnsteig stehen, sind wir froh, dass wir in Pyay erholsame Tage hatten und wir mit Ordinary gesprungen sind.

Bagan war natürlich wie Anchor Wat oder die ägyptischen Pyramiden einst Ort einer unvorstellbaren Hochkultur, doch der Ort „New Bagan“ oder „Nyaung U“ hat nichts von der Stimmung, wie Pyay oder Mawlamyine, er kostet zudem 25$ Eintritt pro Person, was das Betreten der weitläufigen Tempelanlagen, die verteilt auf einer Fläche so groß wie Freiburg aus Gestrüpp und Ackerland ragen erlaubt. Zur Zeit der Militärregierung wurde die Vermarktung von der UNESCO offen kritisiert, als es mehr und mehr den Anschein hatte, das Teile der Tempel von unqualifizierten Mönchen stümperhaft restauriert wurden und sich das Areal in eine Art Wall Disney anbahnte zu verwandeln.

Als uns dann am Nachmittag in unserem kleinen Zimmer die Nachricht über den geschlossenen Grenzübergang im Nordwesten erreicht, scheint unsere Rückreise von Myanmar nach Indien wie die Tempelanlagen zu bröckeln. Alle Infos die es zur Grenzschließung gibt sind wage, bis uns die Agentur, die uns die Permission verkauft hatte, das Geld in alten Dollarscheinen zurückgibt gab es irgendwie Hoffnung! Dann ist die Sackgasse plötzlich endgültig, die Stimmung weit hinter Pyay und ein Plan B nicht vorstellbar! Der muss aber her!

 

Mawlamyine – Yangon (02.05. – 09.05.)

Am nächsten Morgen füllen wir die zwölf 1L Flaschen, die uns das Gästehaus aus ihrem Sammelcontainer überlässt hinter dem nächsten Häuserblock an einem tiefen Brunnen nahe einer Müllkippe auf. Zuvor versichert uns die Dame vom Kiosk, dass das Wasser unbedenklich sei, denn noch immer ist unser Wasserfilter nicht funktionsfähig. Über die lange Thanlyin Brücke unter der der gleichnamige Fluss ins Meer ströhmt verlassen wir die grüne etwas verschlafene Stadt, in Richtung Norden entlang des Gebirgszugs der sich bis nach Thaton parallel zur Küste zieht. Es ist kein Spaß, mit der Straße die aus Osten in Thaton hinzustößt sind wir auf der Hauptverkehrsader Richtung Yangon. Der Verkehr, die Hitze, das Trinkwasser aus tiefen, fast ausgeschöpften Brunnen und das Versteckspiel am Abend im Wald der Gummibäume, wenn Hunde mit Steinen beworfen werden müssen, jedes kleine Geräusch oder Licht unser Versteck verraten kann und ab 04:00 Uhr morgens die Kautschukernte beginnt, dann ist das mit dem lauwarmen Essen von der Straße auch wenn es uns schmeckt, einfach zu viel für unsere Körper, inklusive 84km auf und ab. Im Basisort Kyaikto, der jede/n halbwegs gläubigen Buddhisten hinauf zum 35km entfernten goldenen Felsen bringt, nehmen wir vorlieb im Gästehaus HappyGuest bei Klimaanlage, Trinkwasser und Frühstück inklusive. Wir frosten uns unter 25 Grad und kochen im 6m² Zimmer Suppe mit Einlage! Dazu gibt es Kohletabletten und Ibuprofen gegen Kopfschmerzen für Leonie. Herrlich ein Tag wie für uns gemacht!

Nach einer lauwarmen Nacht, Frühstück und 100% Trinkwasser sind wir zurück auf der Straße. Zur Mittagszeit entfliehen wir der Hitze in ein Kloster, das an ein kleines Dorf grenzt und von alten Mönchen an der ein oder anderen Stelle geflickt wird. Es wird ein Ventilator arrangiert und RedBull für die Reisenden serviert. Mit müden Beinen radeln wir weiter, von Flügeln spüren wir nichts und gleich drei Kilometer später hängt unsere Hängematte unter Mangobäumen im Schatten, damit der Wind von den Feldern uns zur Ruhe kommen lässt. Im allgemeinen läuft der Tag suboptimal, denn nach der ausgedehnten Pause biegen wir mit dem Einverständnis eines Polizisten auf eine Nebenstraße ab, die, so bin ich überzeugt und überzeuge ebenfalls den Polizisten, nach Thanatpin führt, um den massigen Verkehr zu meiden. Leider zeugt die „Straße“ nur von Staub und einem abrupten Ende nach sieben ruppigen Kilometern, was die Stimmung natürlich leicht in Schieflage bringt. Zurück im Dorf suchen wir erneut die Abzweigung der besagten Nebenstraße und halten auf dem Erdweg an einem kleinen Kiosk, wo wir umringt von Jung und Alt Wasser tanken und frittierte Kräuter im Teigmantel mit scharfer Soße kaufen. Aus der Erdstraße wird eine staubige, steinige wellblechartige Frustpiste, die wir gerade zum Teufel fluchen, als ein Burmese auf dem Moped anhält und uns zu sich oder besser gesagt zum nächsten Tempel lotst, der keine zehn Minuten entfernt mitten auf den Reisfeldern steht. Die Räder werden geparkt, das Essen wird für uns auf dem Boden angerichtet und keine fünf Minuten später sitzen wir mit zwei Frauen und einem älteren Mann, die hier für das Wohl der Mönche und der Jungmönche sorgen beim Abendessen zusammen. Es ist spät die Mönche singen ihre Mantras, dann sollen wir ausgiebig duschen. Alle Ecken und Ritzen werden geschruppt, die Haare werden gewaschen und mit dem Becher aus der Tonne wird der eingeschäumte Körper mit einem kräftigen Schwapp abgespühlt. Frisch und blitzeblank dürfen wir vor dem ältesten Mönch und dem heiligen Buddha Platz nehmen. Es wird geplaudert, gelacht und von unserem Weg aus Europa nach Myanmar mit Händen und Füßen erzählt. Nach und nach finden sich vereinzelte Feldbewohner im kleinen Saal ein und bezeugen ihre Verbundenheit zu ihrem Gott dann wird weiter gelacht und nebenbei das Bett und ein Moskitonetz für uns mit Hammer und Nagel in den frischen Putz gepinnt. Gerade ist alles bereit um „Gute Nacht“ zu sagen, da bekommt einer der im Saal Anwesenden einen Anruf, den er kurze Zeit später an mich weiterreicht. „Hello? Hello? Do you speak english?“ „Yes?“, „Yes! You can not stay, you must go back, I’m the immigration police!“ Nach zwanzig Minuten anhaltendem Meinungsaustausch, es sei hier alles zu gefährlich, nein gefährlich ist der Verkehr auf der Straße bei Nacht!, müssen wir unsere Pässe der Person mit dem Handy aushändigen, dieser bringt diese, soweit wir das richtig verstehen, zur Polizeistation und am frühen Morgen zurück zu uns. „Ja genau, keine Sorge Mr. Philipp tomorrow morning!“ „Gute Nacht?“ „Good night! See you!“ „Sure?“ „Yes!“ „OK!“

Am frühen Morgen sind die Pässe zurück und wir auf dem Weg zurück auf die Hauptstraße, über Bago nach Tawa, wo uns ein kleines Boot und sein Fährmeister zurück auf Kurs bringt, nachdem wir uns bereits mit einer erneuten misslungenen Alternativroute und zwanzig Kilometer Umweg abgefunden hatten. Es langt uns Beiden! Die Alternativen waren bis dahin eine stetige Enttäuschung und so drängt es uns zurück auf die Nationalstraße 1.

Sollte hier der Eindruck entstehen, dass uns das Radfahren gerade keine Laune macht, dann stimmt das, aber noch mehr für Leonie die mit der drückenden Hitze stark zu leiden hat und auf dem Weg zur Hauptstraße im Staub an einem Atemnots-husten-kollaps in ein tiefes emotionales Loch fällt und sich auf der Stelle nach Hause wünscht.

Es ist kurz nach Mittag die Sonne steht über uns, der Transporter fährt uns den Staub in dickem Nebel seitlich von uns entgegen, das Wasser ist nicht gefiltert, Luft holen ist bei über 40°C im Schatten gerade nicht einfach, da ist es unser Glück, dass gerade Schulferien sind und wir auf dem Gelände der Dorfschule einen entspannten Platz zum Rasten finden und uns eine liebenswerte Burmesin frische und reife Mangos vorbeibringt.

Bei dämmerndem Licht ist für heute einfacher Reis das richtige bei anhaltender mieser Fäkalqualität. Mit vollem Wassersack und etwas Trinkwasser ist der Zeltplatz etwas abseits der Straße nach zwei Fehlversuchen, da wir unmittelbar von Einheimischen gesehen werden, gefunden. Laut aber in sicherer Entfernung zieht der Verkehr und die Nacht an uns vorbei.

Rangoon die ehemalige Hauptstadt und heute Yangon liegt am frühen Mittag und mit einer Menge Verkehr vor uns, mit etwas Navigation und drei angefahrenen Hostels kommen wir am Sule Pagoda in Downtown für drei Nächte im Okinawa Guesthouse (2) für 19$/Nacht inkl. Frühstück unter.

Wie überall im Lande ist es mit der Stromstabilität nicht so weit, wenn dann alle über Tag die AC’s anwerfen und die Jungs im Hostel ihrer Arbeit mit dem Staubsauger nachgehen, was definitiv unter Kinderarbeit fällt, dann stürzt sich das Netz in die Tiefe und in den Kellern der Häuser springen nach Bedarf die Stromgeneratoren an. Nicht bei uns! Wo wir doch gerne bei eisigen Temperaturen mit etwas Schlaf über den Nachmittag gekommen wären.

Das Abendprogramm ist schlicht und einfach! Schlendernd spazieren wir durch die Blocks und saugen die kulturelle Mischung aus Muslimen, Buddhisten, Hindus und vereinzelten Christen in den Straßen auf, die in Gruppen dicht untereinander leben. Wenn der Ruf des Muezzins erklingt sind die Bürgersteige voll mit Menschen, die Abendessen kaufen oder verkaufen, ein Mix aus so unglaublich vielen Kulturen, konzentriert, lecker und scharf gewürzt!

Die Stadt ist Magnet für so viele junge Menschen aus den weiten Ecken des Landes, hier pulsiert das neue Leben, welches in den Provinzen erst zu keimen beginnt. Die Menschen sind offen, immer für ein Lächeln aufgelegt, spontan neugierig und für kleine Späße zu haben. Etwas vertrauter mit unserer neuen Umgebung gehen wir nach verschiedenen Snacks und einem leckeren Essen in einem lokalen Restaurant zufrieden zu Bett.

Die Erweiterung der Ortskenntnis beläuft sich in den kommenden Tagen auf den Besuch von fußläufig erreichbaren Märkten, Parkanlagen, der Erkundung der wichtigsten Pilgerstätte Myanmars, der Shwedagon Pagode mit dem städtischen Nahverkehr (Bus) und einem weitläufigen Tempelkomplex mit sitzendem und liegendem Buddha.

Mit einer der diversen Buslinie, die sich dadurch auszeichnen, dass der Kopilot stetig die Haltestellen den wartenden Passagieren an der Haltestelle zuruft, welche in den nächsten Kilometern angefahren werden, geht es mit dem alten chinesischen Bus durch den chaotischen Verkehr zurück nach Haus, wo wir unweit vom Hotel Shangrila aussteigen und die letzten Meter zu Fuß noch einen kleinen Snack mit auf unser Zimmer nehmen.

Schon vorbei die Zeit in der Metropole mit ihren offen beherzten Menschen und den stetig vor Ehrfurcht grüßenden Buddhisten, die bei jedem freien Blick auf ihren prachtvollen Pagoda die Hände vom Steuer nehmen, die Handflächen vor der Brust zusammennehmen und ihr Haupt in Richtung der geschätzten 60 Tonnen Gold und des 76 karätigen Diamants senken, der im Sonnenlicht auf der Spitze „Hti“, des Wahrzeichens ganz Myanmars so helle blitzt.

Nach einer Nacht mit unstimmigem Magen verlassen wir Downtown mit der Fährfahrt über den Hlaing Fluss nach Dala, auf die südliche Seite der Stadt um unseren Weg im Verlauf des Irrawaddy Flusses nach Norden weiter fortzusetzen.

 

Mae Sot – Mawlamyine (30.04. – 02.05.)

 

Nun fängt er an, der Rückweg, die Reise nach Hause, zurück in die Heimat, immer Richtung Westen. Myanmar Indien, Nepal, Indien, Pakistan, China; in Kirgistan wollen wir uns neu orientieren.

Mit frischem Nan in der Radtasche und dem einsetzenden Verdauungsprozess von Teigwaren mit einem Chutney aus Kichererbsen unter Zwiebelringen im Magentrakt, grummeln gesättigte RadlerInnen in Richtung Grenzgebiet. Der Andrang ist überschaubar, was tags zuvor an kultureller Vielfalt auf dem Markt zu spüren war, ist gleichermaßen am Immigrationoffice der Fall. Auf acht Quadratmetern teilen sich vier betelnusskauende Beamte die Aufnahme und Registrierung der ankommenden Fremden. Geschmeidig und ohne jegliche Probleme gelingt die Einreise. Hinter dem Checkpoint liegt eine breite, gerade Straße, die seitlich dicht bebaut ist und wie eine belebte Schneise anmutet. Es sind unsere ersten Meter in Myanmar und gleich unsere ersten Eindrücke sind wie aus einer anderen Zeit. Das Geschäft der Wechselstuben, mit den 100$ Noten, die alle wie frisch gedruckt auszusehen haben, liegt eindrucksvoll hinter uns, die Straße vor uns. Genau wie 15km stinkender, dichter Verkehr, bis die alte Passstraße abzweigt und die Umgebung abermals eine Zeitrolle rückwärts macht. Aus schwerem Transitverkehr und düsenden Kleinraumtaxis wird vereinzelter Mopedverkehr. Gelassen und in Ruhe schweift der Blick zurück ins Tal über die Flussbettebene nach Thailand. Es sind nur vereinzelt kleine Dörfer aus Bambus, Palmenzweigen und Plastik anzutreffen, die Menschen hier sind freundlich und erinnern uns an unsere ersten Tage in Laos. Am späten Nachmittag nach unzähligen Windungen entlang der steilen Hänge, schmunzelt uns aus der Ferne ein liegender Buddha entgegen, der in der untergehenden Sonne auf dem Kamm eines Bergsattels eine prächtige Lage gefunden hat. Es ist das zu Hause von zwei in dunkelroten Roben gekleideten Mönchen und ihrer Mutter, die hier ihrem Glauben folgen und beharrlich ihre Betelnüsse kauen und dicke Zigarillos rauchen. Die drei strahlen eine tiefe Gelassenheit aus, in ihrer kleinen Behausung servieren sie Tee zwei Bonbons und deuten auf ihre Einrichtung, die aus Funkgerät, Radio, riesigen Aktivlautsprechern und einer kleinen Küche besteht. Ausschließend gehen alle eine kleine Runde über das Gelände zum großen liegenden Buddha, wo wir uns dankend verabschieden und sich die zwei Mönche je eine Zigarette anstecken und später gelassen zurückwinken, bevor wir außer Sicht sind.

Gerade schluckt der Horizont den heißen Feuerball und die Zeit um einen geeigneten Schlafplatz zu finden bricht an. Vergebens! Nach Ausflügen in dichte Hecken hangab-/ hangaufwärts, einem Beinahekontakt mit einem Militärstützpunkt, zeigt sich, hier werden wir nicht glücklich. Zum Glück können wir an einer Quelle, unser Wasser auffüllen, doch bei stockdunkler Nacht ist die Gelassenheit dahin in Ruhe einen Zeltplatz zu finden. Nach einem bewohnten Checkpoint, der von zwei Kalaschnikow tragenden Soldaten bewacht wird, öffnet sich das Bergpanorama über das vor uns liegende Tal, dass zu unserer Überraschung wie nach einer Schlacht auf Mittelerde in hochschlagenden Flammen steht. Etwas beängstigt drehen wir um und fragen den Militärposten nach einer Schlafmöglichkeit. Plötzlich geht alles ganz schnell wir werden höflich in eine kleine Hütte eines Mönches gebeten, die Räder werden sicher im Inneren geparkt, Teppich, Decken und Kissen werden organisiert und dann deutet einer der Soldaten auf die Waschstelle und Toilette, die wir dankend und ausgiebig nutzen. Die Nacht wird zwar nicht erholsam, da der Mönch und sein ergebener Diener in voller Lautstärke schnarchen, der Diener unter chronischem Dauerhusten leidet, ununterbrochen mit sich selber redet und ein an Hundekrätze leidender Köter ständig unsere Nähe sucht, doch der Kaffee am nächsten Morgen, mit Reis und Süßigkeiten lässt uns vieles vergessen. Beim Abschied wird herzlich, wenn auch müde gewunken, dann geht‘s abwärts, hinunter ins dunstige Tal.

Ruhig und verlangsamt lässt man die Hitze außen vor, so wirken die Einheimischen auf den staubigen Feldern und nahe ihren Behausungen, doch wenn bepackte Radreisende vorbeifahren winken und rufen sie laut „Hello“ oder rufen in die Nachbarhäuser „Aaingali! Aaingali!“, das bedeutet offensichtlich Engländer, dies hat sich aber als Pendant zum laotischen „Farang“ was Fremder/Fremde bedeutet verbreitet. Die Stimmung in den Gesichtern der Menschen ist von purer offener Neugier, gemixt mit reiner Herzlichkeit. Das Lachen und Grinsen ist ein glückliches Gefühl von Verwunderung gemixt mit roten blutrünstig anmutenden Zähnen, die das Konsumieren der Betelnuss in fast jedes Lachen trägt. Die Begegnungen sind voller Charakter und natürlicher, ehrlicher Mimik, auffällig sind die golden schimmernde Farbe auf Stirn, Wangen, Nase und Armen die meist kreisend aufgetragen wird und von der Rinde eines Baumes stammt, die mit etwas Wasser über einen speziellen Stein geschliffen wird. Ein biologischer Sonnenschutz, denn wie überall in Asien sehnt man sich nach blasser europäischer Haut. Dickhäuter wie Elefanten sehen das vermutlich anders. Als das gigantische Tier mit samt seinem Reiter geschmeidig an uns vorbeischwebt, können wir kaum glauben, dass sich die Zeit nochmal weiter nach hinten rollt. Wie ein Uhrpendel schwingt der Schwanz des grauen Riesen im Takt der Zeit gemächlich davon, unvergesslich!

Es gibt sie, die dünnen Straßen, die Nebenstraßen abseits der stark befahrenen Hauptstraßen, sie sind jedoch mit Vorsicht zu genießen! Mal betonierter Plattenbelag, dann staubender Dreck und völlig ungeeignet für jegliche Transportmaschine, Kieselsteinstraßen, die wie Eierkartons robuster und in der Dimension größer, einen Kilometer zur Nerven- und Geduldsprobe werden lassen.

Die Ebene nach Mawlamyine, der ersten großen Stadt ist ein Vorgeschmack auf die trockene Hitze der nächsten Wochen. Unsere Mittagspause halten wir an einem Fluss, der weiter westlich in den Golf von Martaban mündet. Der braune lehmige Strom ist reich an Wasser und Geschwindigkeit. Für einen Moment erfrischt das Nass den vor Hitze glühenden Kopf, dann geht es in den Schatten, der unser bester Freund in der Nachmittagssonne werden wird.

Als das Zelt am Abend versteckt zwischen Bambus und Palmen steht, geht ein anstrengender Tag zu Ende. Denn die Abendetappe war geprägt von Staub, Staub, Kieselsteinpisten und der stressigen Suche nach einem Zeltplatz, versteckt im geeigneten zeltbaren Gelände, ohne das uns ein einheimisches Auge beim Abbiegen ins Abseits der Straße beobachtet. Daran wird sich in den Nächten die wir im Zelt schlafen nur der Zustand der Anspannung ändern, denn zelten ist in Myanmar speziell für Touristen verboten.

Bei der Morgendämmerung packen wir Zelt und Räder zusammen und zwei Kilometer später ist alles zurück auf der Straße, die uns nördlich nach Mawlamyine führt. Die Stadt liegt verschlafen zwischen einer Hügelkette, einer im Meer vorgelagerten Insel und der Mündung des brauen Stroms vom Vortag. Dort wo sich die Hügel erheben stehen in Reihe etliche Stupas, die das Land von Süden bis hin in den Norden so einzigartig machen. Unsere Bleibe für zwei Nächte wird das Aurora Gästehaus, das mit seiner spartanischen Qualität, Ausstattung, wenig Scharm und miserablem Service die zwei anderen Optionen, Breeze und Royal Gästehaus mit seinem Preis und vergleichbar guter Substanz aussticht.

Es ist noch Vormittag, wir beide und der Wasserfilter zeigen physische Ermüdungserscheinungen, am Ende des Tages erliegt, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt der Wasserfilter seinen Ermüdungen, er ist irreversibel kaputt. Am Abend tragen uns unsere Füße vorbei am Markt und hoch zu den buddhistischen und spirituellen Stätten. Es ist ein anmutender und erhabener Blick auf die Stadt, die viel Raum für grüne Flächen lässt und im Licht der Abendsonne friedlich unter uns liegt.

Es sind nur noch wenige Meter bis nach Hause, kurz zuvor hatten wir in einem Eckrestaurant zu Abend gegessen. Zwei nette Frauen nehmen die Bestellung auf, es gibt verschiedenen Beilagen mit Reis, dazu Salat und Süppchen, etwas Kräuter, dann wird es um uns und in den Straßen der Stadt dunkel! Stromausfall! Schnell steht eine LED-Leuchte an unserem Tisch draußen starten die Besitzer ihre Aggregate und alles geht seinen Lauf wie bisher. Außer das uns die Masse an Aggregaten, die in den Städten fast vor jeder Haustür stehen nun deutlich ins Auge fallen. Wir gehen am Eingang, mit der steilen Treppe, die hoch auf unser Zimmer führt vorbei in eines der burmesisch typischen Teehäuser, die weitaus mehr als Tee, Kaffee und kleine Snacks bieten. Dahl und Nan wird wie schon in Mawlamyine unser Leibgericht. Noch weitere vier Mal bricht das fragile Stromnetzt zusammen und in Sekundenschnelle stehen auf den besetzten Tischen kleine Kerzen, die in ihrem eigenen Wachs auf den Tischen kleben. Ein Abend mit besonderem Flair geht mit dem ausschalten der Neonröhre zu Ende, der Ventilator brummt, die Stadt ist dunkel und die Aggregate summen durch die Nacht.