Bulgarien

Varna – Sofia – Gyueshevo (Grenze) (07. – 21.10)

Vier Tage nachdem eine Fähre in Poti startet kommen wir dem bulgarischen Festland vor Varna sichtbar näher. Die zurückliegenden Tage waren ruhig, als einzige Gäste an Bord kein Zufall. Zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen, wurden wir stets abgeholt, prall gefüllt schaukelten wir danach zurück in unsere Kojen. Am Hafen geht mit unserer Fähre der Arbeitstag zu Ende und weil der Bootsanleger weit außerhalb der Stadt, im Inland liegt, werden aus drei Nächten auf der „Geroite na Odessa“ vier inklusive Verpflegung.

Dann wechselt die Crew und auch wir radeln über Umwege zurück nach Varna, wo Justus und Gerrit, zwei Jungs aus dem hohen Norden Deutschlands ihren Weg als Medizinstudenten begonnen haben und mit europäischen, skandinavischen und anderen Studenten von weit her ihr Leben vor Ort teilen. Die Stimmung ist gleich vertraut die Aufgaben verteilt und Varna, ja Varna ist unser erster Europakontakt seit laaaangem. Der Lidl macht hier laut der Einheimischen das beste Brot 🙁 Die Märkte sind sortiert und der Kontrast zu Georgien ist nicht auszublenden. Noch gibt es kleine Ecken wo lokales Gemüse, Nüsse oder Eier verkauft werden, doch schon deutet sich die einheitliche Farbe europäischen Gemüses an. Die Backstuben sind bereits ausgestorben und Backautomaten haben sich auf eine Klientel ohne Zähne ausgerichtet, denn die geschnittenen Schwammleiber taugen allenfalls zum tunken in Kakao, Kaffee oder Suppen.

Der Herbst zieht mit Gewitter und Regen über den Balkan, etwas widerwillig machen wir uns mit dem Festland vertraut. Die Bulgaren sind wie überall herzliche Leute, auf dem Land wie in der Stadt, jedoch steckt allen eine Art Enttäuschung in den Gedanken an Osmanen und Kommunisten, die das Land in der Vergangenheit geformt, aber das Vertrauen vieler Menschen in das eigene Land stark verletzt haben.

Auf dem Weg nach Sofia über Landstraßen durch das Mittelgebirge sind weite Landstriche und Dörfer wie ausgestorben. Autos wählen die Straßen nördlich oder südlich des Balkangebirges. Die Witterung ist durchwachsen, der Geruch von Wald und Wiesen ist vertraut, mal nass ein andermal warm und in der Sonne dampfend. In den kleinen Provinzstädtchen lebt, eine so scheint es, zurückgelassene Generation. Das Modell Abwanderung steht hier kurz vor der Vollendung. Ein Land der Kontraste, zwischen Tradition, Kultur und einer jungen Generation die den Turbokapitalismus einläutet. Die Verbindung besteht oft nur in ihrer Gegensätzlichkeit, wie das Regen-, Nebel- und  Spätsommerwetter das uns einheizt oder die Knochen bis ins Mark frostet.

Gerade ist das warme Licht der Sonne hinter einem Bergkamm abgetaucht, als uns am Ortsausgang ein Berliner Auto einholt, die Verena, der Flo, die Nikolina und der Pavel aus Berlin. Ohne lange im Schatten zu stehen läd uns die Familie, mit zweieinhalb Beinen verwurzelt in den bulgarischen Bergen und Übergangsweise in einem Apartment in Sofia bei Bedarf zu sich ein. Dann brausen sie Richtung Hauptstadt und mit aus dem Fenster winkenden Armen davon, während die zwei Kidis kichernd an der Heckscheibe kleben.

Zwei Tage später stehen wir bei Verena vor der Tür, und als beim Abendessen alle zusammen sitzen erfahren wir, dass wir bei ganz berühmten Künstlern eine traditionelle Suppe schlemmen. 🙂 Denn wir sind bei den Muckemachern gelandet. Einem kleinen Familienunternehmen und Band, die die Kinder und Rabaukencharts von Funk, Worldmusik bis zur Beatbox neu erfindet und gerade mit ihrer zweiten Platte am Start sind! Bäng! Bumm! Bam! Wacka! Wacka! Muckemacher! Die zwei Kidis gehen um die Ecke in die Kita und Schule, Flo komponiert zwischen Küche, Kinderzimmer und einer Tabakpause für eine Fernsehdoku spirituell anmutende Klangmuster, Verena behält den Überblick über Termine vor Ort, die Ferien in Griechenland und die Vertriebszweige der Mucke! Uns beeindruckt die Familie tief, es sprudelt an Energie und kreativen Ideen, das selbst uns das zu Bett gehen schwer fällt.

Nach drei Tagen Stadtkultur und einem warmen herzlichen Ort ist die Zeit gekommen auf Wiedersehen in Berlin zu sagen. Über den Gehweg und winkend verabschieden wir Flo und Verena, die tolle Eltern sind!

Die beiden Tage zur mazedonischen Grenze sind unverändert, das Wetter hat den Balkan im Griff und schon am Abend sind wir fern von der schnellen Stadtkultur und die kalte frische Luft hüllt sich wie ein Mantel den Schatten der Nacht über unser Zelt das wie auf einer hunsrücker Wiese gen Westen steht.