Provinz Yunnan

Puer – Mohan (laotische Grenze) (02.12. – 08.12.)

 

 

Irgendwie kann ich es nicht ganz glauben, dass es heute weiter geht. Doch zu Mittag warten Leonie und zwei Gepäckräder im Innenhof des Hotels auf den Entkräfteten. Ein letztes Mal nehme ich den Fahrstuhl von 1 auf 0, dann niedersetzen auf die Couch im Foyer um wieder zu Kräften zu kommen. „Is okay!“ wird gescherzt, dann geht es durch Puer! Und es geht los. Wohin? In die Berge, natürlich! Über eine Seitenstraße nach Südosten. Nach 30km auf und nieder, waren wir dreimal am Straßenrand beschäftigt. Mal am Straßenrand picknicken, dann halten, nur um Roadproducts wie heute eine Schutzblechverlängerung für Leonie‘s Fahrrad zu gestalten oder die abrupt endende alte Straße über den schroffen Hang auf die neue tolle Asphaltstraße zu wechseln. Heil froh über den funktionierenden Schließmuskel campen wir etwas abseits eines kleinen Dorfes auf brachliegendem Acker. Leonie bereitet das Abendessen, ich bastele den authentischen Schmutzschutz zu meinem Interesse an das Heck, der zur Zeit meist vor mir Fahrenden. Hinein ins warme Zelt und ran an die Weihnachtskarten. Jeden Tag vier bis fünf dann können alle gesammelt und im Vorteilspack an der Poststelle vier Tage entfernt verschickt werden.

Bergab, bergauf 65% Tee, 30% Bananen und 5% Kaffee durch Nebel und durchnässte Luft. Bananenwälder mit blauen Schutzfolien, fast schon fertig für den Export liegen in den Tälern. Der Bananenbaum ist hier ein Vollwertprodukt: Bananen ist klar, ob grün oder gelb zum Verzehr, die bis 3m langen Blätter als Bau- und Packmaterial, der Stamm in Scheiben geschnitten für Vieh- und Schweinefutter, Bananenblüten, junge Sprossen und Wurzeln finden Verwendung in der heimischen Küche. Mittags wird es am Himmel heller, an einer Teerösterei wird A von B Qualität von Hand verlesen, es duftet und kommt als Einladung im Einmachglas als Heißgetränk, so frisch wie nie. Ein Tal weiter pflücken vereinzelt Arbeiterinnen reife Kaffeebohnen von den Büschen, die Leonie und der Sonne freundlich zusprechen. Es ist nicht mehr weit. Kangping für heute der einzige Ort der einen besetzten Markt hat, lässt uns kurz von der Hauptstrecke hinauf in den Ort schwitzen, um für das Abendessen einzukaufen. Nicht sehr schön, aber zweckmäßig schlagen wir paar Kilometer später das Lager an der Sanitäranlage des kleinen Dörfchens auf dem Parkplatz auf. Hier ist fließend Wasser und Privatsphäre auf der Toilette, wie wir sie aus China kennen und schätzen. Die Nachbarschaft ist überrascht und interessiert! Zweimal wird das Werk unseres Abendessens lachend bewertet, beim dritten Mal kommt die gutherzige Frau mit rund 4 kg Bananen zurück, die sie uns lachend schenkt! Meinem Bauch ist’s recht! Das Zusatzgewicht für die kommenden Bergetappen ist da kurz ausgeblendet.

Nieselregen und Tropfenregen wechseln sich am kommenden Tag im stetigen Wechsel ab. Dazu reiht sich eine steile Rampe an die nächste. Tolle Wurst! Oder besser Bananen. An einem kleinen Laden, als sich Wolken zum Regen machen öffnen, sind wir unterm Dach und in warmer Jacke am Mittagessen. Zu unserem Glück gibt es einen kleinen Markt entlang der Hauptstraße direkt gegenüber und Dampfnudeln etwas versteckt dahinter. Weniger Glück haben wir bei der Suche nach einem Schlafplatz, es liegt vermutlich am ständigen missverstanden werden, dass es uns völlig ausreicht auf dem Hof, dem Stück Wiese oder einem kleinen ebenen Fleck mit Zelt, heute vorzugsweise überdacht, zu nächtigen. Jedenfalls wird uns stets ein Hotel in der nächst größeren Ortschaft gedeutet, nur 23km entfernt! Zumindest der Wassertank/-sack wird gerne und freundlich aufgefüllt. In einer Regenpause und dann schon wieder bei Halbregen steht das Zelt und sind die Taschen im Vorzelt im fasst trockenen, unterhalb der Straßenböschung bei Dämmerung im Irgendwo. Kochen, Essen, Spülen, Karten schreiben und Hörbuch, 6.Kapitel aus: Das Märchen vom Karfunkelstein. Erinnern können wir uns an den Zwergenkönig, der alles wissen wollte nur stark rätselnd.

Am frühen Morgen, als die Sonne langsam aus den Wolken bricht. Sonne satt, ein satter Pass, Tonnen an Bananen am Straßenrand, paar alte aber sehr schmackhafte Maracuja im Straßengraben und süße Frühstücksmantou zum dahin schnausen. Uns beiden geht es gut. Wir passieren den Scheitelpunkt und genießen den Weitblick von einem Betonrohbau der einem in naher Zukunft den Blick von der Straße verwehren wird. Ein letztes Mal für heute saftend bergauf, dann checken die Finanzen die Hotelpreise, ohne Reisepässe nimmt uns hier jeder gerne ohne Probleme. Wir sind platt und lassen den Blick aus unserem Zimmer auf die Marktstraße zwinkern. Das kleine Städtchen ist süß, es gibt alles was ein Radreisender braucht! Einer der Orte der so wie er ist, authentisch und schön, so bleiben darf, wenn er möchte. Es ist Nikolaus Abend. Selten aber lecker gehen wir essen.

Decken uns ein auf dem Markt am nächsten Morgen, geben gespannt und nervös unsere Arbeit der letzten fünf Abende im Postbüro ab und verlassen das Nest in Richtung des nächsten langen Aufstiegs. Der Energieverbrauch ist gewaltig, nach dem Pass kochen wir am Straßenrand unser Mittagessen und rollen ausreichend gesättigt in die lange Abfahrt die uns zurück oder besser gesagt parallel zur Nationalstraße bringt, die sich dann gemeinsam zur laotischen Grenze erstrecken. Im Tal angekommen, treffen wir auf die ersten laotisch buddhistischen Tempel und den touristischen Hype, den Chinesen aus der Szene schnell zu betonieren geneigt sind. Guter Tourismus muss für den Chinesen teuer sein, was uns schnell über die Preise staunen lässt. Weiter geht‘s in der Hoffnung die Szene in geeigneter Entfernung hinter uns zu lassen. In Mengyuan, einem kleinen Dorf ist es geschafft! Achtzehn Kilometer entfernt von dem Hype kehrt Ruhe ein. Das Doppelzimmer für eine Nacht macht 50元, dass da mal das Licht im Badezimmer nicht funktioniert oder die Waschbeckensiphon nicht existiert, ist Standard. Ein Zufall, dass wir hier auf Hilda und Mark treffen, zwei niederländische Radreisende, die sich gezwungen sahen ihre geplante Seidenstraßenreise in Istanbul auf Grund eines Laufraddefekts spontan und dann radikal umzugestalten. Die Beiden sind entspannt, Hilda, nach unserem Eindruck eine Frühaufsteherin, Mark eher der Chiller. Gemeinsam gehen wir essen und gönnen uns später Eis am Stiel, Typ „bitter coffee“, geiler Nachtisch! Währenddessen wird im Erdgeschoss des Hotels eifrig am professionellen Tisch gezockt, an dem es für unseren Geschmack um hohe Einsätze geht.

Am frühen Morgen, es mag 06:30 sein, satteln die Zimmernachbarn bereits die Räder und sind auf und davon. Drei Stunden später sind auch wir auf der Straße, halten aber gleich auf dem Markt um die Ecke wieder an, um die üblichen Besorgungen zu tätigen. Da wundert es nicht, als wir Hui, ein Radladenbesitzer aus Kunming, der uns auf dem Fahrrad entgegenkommt, berichtet, er habe zwei Radler bereits vor vier Stunden beim Anstieg passiert. Wir lachen, fragen ihn nach ein paar Tipps für Laos, ob wir nach Luang Prapang fahren, fragt er. Wir zucken die Achseln und vermuten: „vermutlich schon“ er habe dort einen guten Freund, den könnten wir gegebenenfalls kontaktieren. WeChat ID und Bilder werden geknipst, dann trennen sich die Wege. Mengla, der letzte große Ort bevor wir das Land der Mitte verlassen, ist für heute erklärtes Ziel. Doch als wir nach wenig belebter Landstraße, bereits am Mittag aus den Wäldern in die pulsierende laute Stadt einfahren, sind wir schnell geneigt nach den notwendigen Einkäufen, eine ruhigere Gegend aufzusuchen. Hinter der Stadt, weit außerhalb der Schallgrenze, auf einem Hügel werden wir fündig. An einem Friedhof umgeben von Bananenplantagen, an einem Haus mit Carport, Sanitär/WC und Dusche und einem starken WLAN mit weniger starkem Passwort: 88888888 (das chinesische Standardpasswort, neben 123456789). Wir sind auf einem Campingplatz, der bis dahin nicht wusste, dass er einer ist! 🙂

Wieder einmal schert sich niemand um das, was hier vor sich geht, als die Regentendenz steigt belagern wir zudem das Carport und sind wohl geschützt vor dem Regen der des Nachts danieder geht. Leider regnet es auch den folgenden Tag und so erreichen wir ziemlich versifft und nass die Grenzregion, verwerten die restlichen Yuan 元 in ein reichliches Mittagessen und radeln dem Boardercrossing entgegen. Es ist vielleicht der Tag, das Wetter oder es mag sein, es liegt zum Teil auch an uns, als wir uns überreden lassen vor der Grenze bereits einige Dollar in laotische Kip zu tauschen, was uns später den halben Abend auf laotischem Festland beschäftigt. China bleibt uns in gewaltiger, nicht überschaubarer Größe, spannend und kulturell kontrastreich in guter Erinnerung.

Dali – Puer (19.11. – 02.12.)

 

Von Leonie

Wir radln nicht mehr allein! Nach der deutsch-französischen Reunion im gemütlichen Hostel in Dali starten wir gemeinsam wieder in den Sattel mit dem Ziel Céline und Origan in ca.10 Tagen in Puer, im Süden zu treffen.

Nach den letzten Abschiedsfotos mit den witzig aufgedrehten Mädels der Rezeption, einem schnellen Supermarkt-und einem weniger schnellen Tankstellenbesuch, wir stehen zunächst etwas ratlos vor der Zapfsäule, bis wir das erst bezahlen, dann Bon scannen und tanken Prinzip bei anderen Tankenden abgeschaut haben, man bemerke es geht uns nur um ½L Sprit für unsere Küche, verlassen wir nach wenigen Metern wieder den Highway und pedalieren entlang der schönen Uferpromenade. Die schöne Berg-See-Kulisse und tolles sommerliches Wetter geben uns etwas das Gefühl am Bodensee Chinas gelandet zu sein. Den einzigen, aber doch prägnanten Unterschied bieten die riesigen Betonbauten und Neubausiedlungen am anderen Ufer. Diese betrachten wir entspannt während der Lunchpause am südlichen Ende des Sees, bevor wir durch das neue Dali Fahrt aufnehmen für den vor uns liegenden Berg. Noch einmal bremsen, u-turn auf dem Highway, dann aber doch das richtige Sträßchen gefunden, dass uns mit nicht unbeachtlicher Steigung zum heutigen Höhepunkt bringt. Von diesem brausen wir über kurvig schöne Straße so weit bergab, bis wir auf einem kleinen Flecken Wiese an einem kleinen See unser Nachtlager aufschlagen, nachdem wir die Räder vom Gepäck erleichtert und steilst den Abhang hinuntergeschoben haben, in Gedanken an Marcos Schulter doch etwas vorsichtiger. Nach einer frischen Dusche, leckerem Essen, Clément und Matthieu brutzeln leckere Baignées in reichlich Fett und kleinen Radreparaturen auf der französischen Seite betrachten wir noch etwas die springenden Fische und gehen zufrieden schlafen.

Am nächsten Morgen nehmen wir, aus mir nicht so ganz ersichtlichem Grund nicht die kleine Nebenstraße, sondern biegen rechts ab und kurven im Zickzack durch Felder und Dörfer. Plötzlich hält Clément mitten in einem kleinen Dorf an, was ist los? Doch da haben wir anderen es auch entdeckt: mitten in Dorf am Wegesrand steht eine riesige Marihuanapflanze in ihrer ganzen Pracht, bei näherer Betrachtung der Umgebung finden wir so gut wie in jedem Vorgarten ein solches Exemplar! Matthieu ist nicht mehr zu halten und startet das Ernten einer nicht unbeachtlichen Menge, die danach gut verzurrt im Stoffbeutel auf den Radtaschen in der Sonne trocknet, während unsere Straße in einen staubigen Weg übergeht, zu einem Trampelpfädchen wird und dann vollends verschwindet. Wir finden uns zwischen Sträuchern auf einem Wall wieder, umkehren steht außer Frage, also werden die Räder die dachsteile Böschung hinuntergebremst, über den rumpeligen Feldtrennungsstreifen geschoben und über einen Steg balanciert bevor wir wieder fahrbaren Untergrund unter den Rädern spüren.

Die nächsten Tage ziehen auf Nebenstraßen durch kleine Dörfer, Terrassenfelder und zunehmenden Temperaturen dahin. Die beiden Franzosen radelten bisher in einem ganz anderen Rhythmus, als wir es taten: französischer Lebensstil. 🙂 Spätes Aufstehen, in der Morgensonne Zelt und Schlafsäcke trocknen, zur Mittagszeit den Sattel besteigen und erst in der Abenddämmerung ankommen. Wir hingegen radeln lieber am Morgen und suchen uns schon am Nachmittag einen gemütlichen Platz um den Tag ausklingen zu lassen und so auch das Zelt zu trocknen. Da muss, um gemeinsam weiterfahren zu können, ein geeigneter Mittelweg her! Die Natur kommt uns zur Hilfe, da wir meist bis in den späten Vormittag in dicken Nebel gehüllt sind trocknet kein Zelt und auch die Daunenschlafsäcke der Jungs entfeuchten sich nicht. Um den doch kurzen Tag zu nutzen sitzen wir meist gegen 10 auf dem Rad und stoppen zur Trocknung nicht zu spät!

Matthieu, passionierter und professioneller Dingefinder, immer den Blick im rechten Straßengraben und stets zum Bremsen bereit, wenn er wieder einmal Sandalen, Kleidung, Messer, Klebeband oder sonstige nützliche Dinge erblickt! „Very cool, very cool, better than cool, look what I’ve found!“ – Badges einer alten Sicherheitspolizeijacke! 🙂

Wir haben Zeit! Bazarbesuche in den durchfahrenden Städten sind jedes Mal ein Highlight. Bunt, laut, geruchs- und geschmacksintensiv. Bei jedem Stopp sind die Taschen voller als geplant und der Bauch gleich mit. Immer wieder finden wir neues, was natürlich getestet werden will (ein riesiger Eimer voll, für mich eindeutig Erdnussbutter lacht uns an, aber vielleicht ist es doch etwas anderes? Dürfen wir probieren? Der Finger taucht ein in die Erdnussbutterkonsistenz, dann in den Mund und….urgh salzig, bitter, wie cremige Sojasauce! Schade!) und altbewährtes, was auch nicht fehlen darf! So spannend wie für uns der Bazar sind für die übrigen Bazarbesucher wir. Sobald gleich 4 vollgepackte Räder anhalten und europäische Radler absteigen sind wir auch schon umringt von neugierig dreinschauenden Chinesen. Bis zu den ersten Fragen dauert es nicht lange, wir antworten selbstsicher „déguó“ die beiden Jungs „fàguó“, ob das nun zur Frage passt kann man meist an der Reaktion der Gegenüber herausfinden. Material wird bestaunt und sich dann nochmal abgesichert ob wir wirklich von „déguó“ hier her mit dem Rad gefahren sind, heftiges Nicken unsererseits, dann meist ein Lachen, Daumen hoch und „hao hao“!

Die Tage fliegen so dahin. Es geht auf und ab und auf und ab, Bäume, Sträucher und Gewächse werden immer exotischer, mehr und mehr Bananenbäume, Bambus, Papaya, auf den Feldern grünt es frisch, junge Tomaten – und Paprikapflanzen, jede Menge Gemüse, dass wir nicht kennen, es wird wärmer, feuchter, tropischer.

Für uns wird es schwieriger Zeltplätze beim ersten Versuch zu finden, jeder Flecken freies Land wird zum Gemüseanbau genutzt. Zur Nachmittagszeit fahren alle vier hochkonzentriert die umliegende Landschaft betrachtend, wächst da was oder ist das Unkraut? Nach einigen nicht so einfachen Nächtigungsplätzen, vorausgegangen sind mehrfachste Anläufe und erfolglose Erkundungen verschiedenster Areas, beschließen wir, dass der Schulhof in einem kleinen Dorf doch ganz einladend aussieht. Nachdem die beobachtenden Dorfbewohner nichts dagegen zu haben scheinen und die am Abend auftauchende Polizeikontrolle nur interessiert fragt woher und wohin steht einer angenehmen Nacht nichts mehr im Wege. Die wäre es wohl auch geworden, wenn da nicht eine verstimmte Darmflora mit gehäuftem eiligem Toilettengang bei Philipp dazwischengekommen wäre. Hastiges Schlafsack auf, Zeltreisverschluss auf und schnell die 200m zur Toilette eilend.

Am darauffolgenden Tag sind die Energiereserven deutlich geringer als noch die Tage zuvor, trotzdem müssen wir in den nächsten 2 Tagen noch gute 100km Fahrrad fahren, damit wir Puer erreichen, wo wir uns zumindest einen Ruhetag versprochen haben. Zum ersten Mal während der gesamten Reise verbringt Philipp mehrere Stunden hinter und nicht vor mir auf dem Rad, kämpft sichtlich mit den 2 Pässen, die nicht steil aber stetig über ca. 15km bergauf führen. Die Essensaufnahme beschränkt sich auf ein Minimum und ein Teil des Gepäcks nehmen die beiden Franzosen auf die Räder, herzlichen Dank!

So gelangen wir nach 2 Tagen, der letzte mit reichlich Feuchtigkeit von oben, nach Puer. Jetzt nur noch ein Hotel finden! Dies sieht zunächst nicht so kompliziert aus, sobald wir jedoch unsere nicht chinesischen Pässe zücken werden wir ein ums andere Mal abgewiesen. Wir wissen Bescheid: Sie haben keine Lizenz um Ausländer zu beherbergen! Was ein Glück treffen wir auf eine nette chinesische Englischlehrerin, die mit uns zu verschiedensten Adressen wandert, telefoniert, Kontakte spielen lässt und uns schließlich zur optimalen Unterkunft begleitet, vielen Dank! Nach 2 1/2 Stunden Hotelsuche sind wir mehr als zufrieden, als wir unsere fast schon luxuriösen Zimmer betreten, warme Duschen genießen, große Betten auf uns warten und Frühstück inklusive ist und das alles im Rahmen unseres Budgets liegt. Toll!

Wir verbringen einen schönen ersten Tag, finden nach ebenfalls längerer Suche, eine kleine Wäscherei, erobern den Bazar, Philipp geht es etwas besser und am Nachmittag erwarten wir Céline und Origan, schön die beiden wiederzusehen. Doch viel Zeit zum Austauschen bleibt nicht. Die beiden kommen nicht allein. Im Schlepptau eine ganze Bande Chinesen des örtlich Fahrradclubs, diesem Treffen geht eine lange Geschichte voraus und hat zur Folge, dass Céline und Origan nun chinesische Radfreunde in verschiedensten Städten Chinas haben, Vorträge gehalten und von Hotel übers Restaurant überall eingeladen wurden. Auch an diesem Abend werden die beiden eingeladen und wir 4 anderen gleich mit. Im dicken Auto geht es durch die Stadt, leckeres thailändisches Essen, Obst und Fotovortrag stehen auf dem Programm, so bekommen wir einen kleinen Einblick in den China Aufenthalt des belgisch-französischen Paares, verrückt anders!

Anders ist auch die kommende Nacht, zumindest für Philipp und mich! Ein knallharter Rückschlag der nicht intakten Darmflora, ständiges auf Toilette rennen, damit ist klar, wir brechen nicht mit den andern auf! Einwurf von Philipp: Das war viel DRAMATISCHER! Ich habe die Schüssel besprenkelt und glücklicherweise nur die Unterhose bis an die äußeren Ränder in der Nacht eingeschissen! Weitere Erläuterungen braucht es hier wohl nicht. 🙂 Medikamentös gut versorgt, von Globulis bis Antibiotikakeule liegt alles bereit, von den deutlich besser ausgestatteten Mitreisenden,  hütet Philipp noch 2 weitere Tage mehr oder weniger dauerhaft das Bett, während ich alleine durch die Stadt schlendere.

Shangri-La – Dali (09.11. – 19.11.)

 

Völlig entleert lassen wir die letzte tibetische Metropole an einem Dienstag hinter uns um Lijiang drei Tagesetappen entfernt vor Freitag zu erreichen. Das Höhenprofil zeigt die meiste Zeit abwärts, zum Glück. Leonie in gewohnter Ausdauerqualität fährt heute vorweg, mich beschäftigt jeder kleine Hügel und so bin ich froh, als wir nach ausreichend Tageskilometern, mit genügend Distanz von der Hauptstraße auf dem Hügel hinter einem Dorf zelten. Die Tiger-Leaping-Gorge liegt in dieser Nacht geschätzte 15km westlich von uns. Einst nur zu Fuß passierbar, heute dem Bus und Jeep-Tourismus preisgegeben, wurde auch hier der Weg geebnet und betoniert.

Am nächsten Morgen fallen wir geradezu von 3200m auf 1800m hinunter ins Tal. Nur das massive Aufkommen an SUV’s und Reisebussen bremst den freien Fall an der Einfahrt zur Tiger-Schlucht, an der wir prompt von den französischen Jungs aufgefangen werden, die ihre fertigen Visa im Foreigner-Migration-Office auf 3200m Höhe zu ertrampen gedenken.

Wieder trennen sich die Wege und wir von der Hauptstraße auf die alte noch erhaltene Nationalstraße. Durch kleine Dörfer, vorbei an offenstehenden Innenhöfen, in denen Mais und andere Feldfrucht lagert, über die Terrassenfelder hinauf in den Hang zum Nächtigen. Es ist warm, ganz deutlich spüren wir, wie es sich selbst nach Sonnenuntergang ohne Jacke im Freien sitzen lässt. Kürbissuppe! Tut gut! und allmählich kommt die Energie zurück in die Knochen.

Die Rankingliste der chinesischen Touristen votet Lijiang auf Platz zwei der beliebtesten Reiseziele im Inland. Als wir am frühen Abend ankommen, liegen 1362 Höhenmeter auf der Strecke hinter uns. Zum Glück ist Nebensaison und die quirlige Stadt, die im Kern, wie Shangri-La einen Altstadtkern vorweist, ist angenehm ruhig und beschaulich. Oberhalb der traditionell aussehenden Gebäude, die allerlei Ramsch und „was der Mensch nicht braucht“ verkaufen, treffen wir uns mit Kevin. Einen in Landau studierten Magister der Umweltbelastung durch chemische Stoffe, ursprünglich aus Amerika, seit einiger Zeit jedoch in Lijiang. Er nimmt sich unserer an, organisiert über Kontakte eine günstige Bleibe in einer Art Kolpinghaus, in dem wir weniger legal die Vollzeit volle Kanne arbeitenden Jung-ChinesInnen früh morgens und spät abends zu Gesicht bekommen. Am gleichen Abend treffen wir Kevin, ebenfalls weniger legal, im Sträßchen um die Ecke, beim Verkauf selbstbereiteter Muffins, die erstaunlich schnell für 10元 pro Stück über den Tupperdeckel gehen. Mehr eine Freizeitbeschäftigung und Kontaktkonversation, was ihm mit fließendem Mandarin nicht schwer zu fallen scheint. Wir gehen nach Hause!

Der nächste Tag wird Leonies Abenteuer ohne Reiserad! Es ist früher Freitagmorgen, in den Straßen werden gerade die Rolltore der Mantou-Läden aufgezogen, Teig wird in Wogs frittiert und die ersten Hühnerbeine in die Suppe geschmissen.

Unsere Visa, wenn es stimmt was der Beamten eine Woche zuvor versprochen hatte, sind fertig. Auch der Plan der Wiederbeschaffung ist fertig und so geht es los: Mit dem Bus nach Shangri-La, erster Stopp, Ortseingang, am Visa-Office werden die Pässe entgegenommen, dann wenige Schritte zurück auf die Straße, um per Anhalter, an diesem Mittag mit zwei Versuchen, am späten Nachmittag nach Lijiang zurückzugelangen. Mit vollbrachter Tat und überaus erfolgreichem Grinsen kommt eine stolze wie ausgetauschte Leonie auf der Terrasse zum Sitzen. Selbstbewusst ist in diesem Falle untertrieben. Ich hadere an diesem Tag mit meiner Produktivität und als beim Abendessen Kevin und seine Freundin, den Tatsachen würdigend Respekt zusprechen, dass diese Strecke an einem Tage nicht zu schaffen wäre, nickt mir eine zuckerschotenessende Leonie von ihrem Thron mit einem langandauerndem Liedschlag zu. Ich manövriere gekonnt meine Stäbchen ins Essen, wenigstens etwas was mir ausgezeichnet gelingt. Ah den Provianteinkauf auf dem Markt am selbigen Morgen vergaß ich zu erwähnen. Toll gemacht, Toll vollbracht! Eigenlob eine vollausgeprägte Gabe. Mit vor Schärfe tränenden Augen, lassen wir den Tisch, der einzige der nicht alles im nahen Umkreis eingemüllt hat zurück.

Dankend verabschieden sich alle Radlerinnen was Kevin und seine Freundin einschließt und tags darauf brummen wir durch Alt- und Neustadt über den Highway gen Süden Richtung Dali. Rückenwind und sanftes Gefälle. Die Straße wird kleiner nachdem der weit außerhalb von Lijiang gelegene Flughafen passiert ist und zu unserer Freude die Gegend ländlicher wird. Mittagessen an der Straßenkantine, der spaßigen Küchendamen mit Reis aus einem riesigen Reiskocher auf Rädern, super lecker. An anderer Stelle Tsampa mit Bananenbrei, gerollt in Sesam, Energienachtisch für abwärts RadlerInnen. Die Verdauung, nie war sie besser! An einer Wasserstelle etwas abseits der Straße mit Haus und Scheune finden wir eine geeignete Bleibe auf flachem Boden, während nicht weit von uns Arbeiter im Strommast die letzten Schrauben festziehen und zur Dämmerung nach Hause fahren.

Dali am See gelegen eine Gegend des ewigen Frühlings, jedoch mit knappen 100 Kilometer ewig weit weg. So fühlen sich auch die ersten 65km der Tagesetappe an. Hinauf, hinunter, um rauf und runter zu fahren. Wo es sich anbietet liften wir gen Steigungsende und als wir nach langer Abfahrt und einem Picknick in der Sonne den See vor uns liegen sehen, sind es nur noch zwanzig flache, ebene Kilometer. Vier Tage rasten wir in der angenehm klimatisierten Stadt in einem der schönsten und besten Hostels, die wir in China angefahren sind. Vier Tage? Wir sind super faul, probieren uns durch die verschiedenen Backwaren einer chinesischen Teilchen- und Keksbäckerei, studieren und bewerten die Artikel der Online Newspaper nach dem 11.Nov, zelebrieren Pfannkuchenfrühstück und trinken Kaffee for free jeden Morgen zwischen 7 und 10. Die Runde ist die gewohnte alte Charge, zwei brabbelnde Franzosen und die Hunsrücker, zeitweise ergänzt durch ein junges Paar aus französisch Kanada und siehe da, auch die Finninnen sind wieder da! Ist doch klar! Ein großes Dankeschön, geht an dieser Stelle an HEIMAT, den Manager des „coloures in the wind“ – Hostel. Einer aus der Riege der volle Kanne Vollzeit Worker mit dem Herz für Radreisende, deren Zeit er gerne ebenfalls hätte, die, so ist der Plan, aber noch kommen wird.