Shangri-La – Dali (09.11. – 19.11.)

 

Völlig entleert lassen wir die letzte tibetische Metropole an einem Dienstag hinter uns um Lijiang drei Tagesetappen entfernt vor Freitag zu erreichen. Das Höhenprofil zeigt die meiste Zeit abwärts, zum Glück. Leonie in gewohnter Ausdauerqualität fährt heute vorweg, mich beschäftigt jeder kleine Hügel und so bin ich froh, als wir nach ausreichend Tageskilometern, mit genügend Distanz von der Hauptstraße auf dem Hügel hinter einem Dorf zelten. Die Tiger-Leaping-Gorge liegt in dieser Nacht geschätzte 15km westlich von uns. Einst nur zu Fuß passierbar, heute dem Bus und Jeep-Tourismus preisgegeben, wurde auch hier der Weg geebnet und betoniert.

Am nächsten Morgen fallen wir geradezu von 3200m auf 1800m hinunter ins Tal. Nur das massive Aufkommen an SUV’s und Reisebussen bremst den freien Fall an der Einfahrt zur Tiger-Schlucht, an der wir prompt von den französischen Jungs aufgefangen werden, die ihre fertigen Visa im Foreigner-Migration-Office auf 3200m Höhe zu ertrampen gedenken.

Wieder trennen sich die Wege und wir von der Hauptstraße auf die alte noch erhaltene Nationalstraße. Durch kleine Dörfer, vorbei an offenstehenden Innenhöfen, in denen Mais und andere Feldfrucht lagert, über die Terrassenfelder hinauf in den Hang zum Nächtigen. Es ist warm, ganz deutlich spüren wir, wie es sich selbst nach Sonnenuntergang ohne Jacke im Freien sitzen lässt. Kürbissuppe! Tut gut! und allmählich kommt die Energie zurück in die Knochen.

Die Rankingliste der chinesischen Touristen votet Lijiang auf Platz zwei der beliebtesten Reiseziele im Inland. Als wir am frühen Abend ankommen, liegen 1362 Höhenmeter auf der Strecke hinter uns. Zum Glück ist Nebensaison und die quirlige Stadt, die im Kern, wie Shangri-La einen Altstadtkern vorweist, ist angenehm ruhig und beschaulich. Oberhalb der traditionell aussehenden Gebäude, die allerlei Ramsch und „was der Mensch nicht braucht“ verkaufen, treffen wir uns mit Kevin. Einen in Landau studierten Magister der Umweltbelastung durch chemische Stoffe, ursprünglich aus Amerika, seit einiger Zeit jedoch in Lijiang. Er nimmt sich unserer an, organisiert über Kontakte eine günstige Bleibe in einer Art Kolpinghaus, in dem wir weniger legal die Vollzeit volle Kanne arbeitenden Jung-ChinesInnen früh morgens und spät abends zu Gesicht bekommen. Am gleichen Abend treffen wir Kevin, ebenfalls weniger legal, im Sträßchen um die Ecke, beim Verkauf selbstbereiteter Muffins, die erstaunlich schnell für 10元 pro Stück über den Tupperdeckel gehen. Mehr eine Freizeitbeschäftigung und Kontaktkonversation, was ihm mit fließendem Mandarin nicht schwer zu fallen scheint. Wir gehen nach Hause!

Der nächste Tag wird Leonies Abenteuer ohne Reiserad! Es ist früher Freitagmorgen, in den Straßen werden gerade die Rolltore der Mantou-Läden aufgezogen, Teig wird in Wogs frittiert und die ersten Hühnerbeine in die Suppe geschmissen.

Unsere Visa, wenn es stimmt was der Beamten eine Woche zuvor versprochen hatte, sind fertig. Auch der Plan der Wiederbeschaffung ist fertig und so geht es los: Mit dem Bus nach Shangri-La, erster Stopp, Ortseingang, am Visa-Office werden die Pässe entgegenommen, dann wenige Schritte zurück auf die Straße, um per Anhalter, an diesem Mittag mit zwei Versuchen, am späten Nachmittag nach Lijiang zurückzugelangen. Mit vollbrachter Tat und überaus erfolgreichem Grinsen kommt eine stolze wie ausgetauschte Leonie auf der Terrasse zum Sitzen. Selbstbewusst ist in diesem Falle untertrieben. Ich hadere an diesem Tag mit meiner Produktivität und als beim Abendessen Kevin und seine Freundin, den Tatsachen würdigend Respekt zusprechen, dass diese Strecke an einem Tage nicht zu schaffen wäre, nickt mir eine zuckerschotenessende Leonie von ihrem Thron mit einem langandauerndem Liedschlag zu. Ich manövriere gekonnt meine Stäbchen ins Essen, wenigstens etwas was mir ausgezeichnet gelingt. Ah den Provianteinkauf auf dem Markt am selbigen Morgen vergaß ich zu erwähnen. Toll gemacht, Toll vollbracht! Eigenlob eine vollausgeprägte Gabe. Mit vor Schärfe tränenden Augen, lassen wir den Tisch, der einzige der nicht alles im nahen Umkreis eingemüllt hat zurück.

Dankend verabschieden sich alle Radlerinnen was Kevin und seine Freundin einschließt und tags darauf brummen wir durch Alt- und Neustadt über den Highway gen Süden Richtung Dali. Rückenwind und sanftes Gefälle. Die Straße wird kleiner nachdem der weit außerhalb von Lijiang gelegene Flughafen passiert ist und zu unserer Freude die Gegend ländlicher wird. Mittagessen an der Straßenkantine, der spaßigen Küchendamen mit Reis aus einem riesigen Reiskocher auf Rädern, super lecker. An anderer Stelle Tsampa mit Bananenbrei, gerollt in Sesam, Energienachtisch für abwärts RadlerInnen. Die Verdauung, nie war sie besser! An einer Wasserstelle etwas abseits der Straße mit Haus und Scheune finden wir eine geeignete Bleibe auf flachem Boden, während nicht weit von uns Arbeiter im Strommast die letzten Schrauben festziehen und zur Dämmerung nach Hause fahren.

Dali am See gelegen eine Gegend des ewigen Frühlings, jedoch mit knappen 100 Kilometer ewig weit weg. So fühlen sich auch die ersten 65km der Tagesetappe an. Hinauf, hinunter, um rauf und runter zu fahren. Wo es sich anbietet liften wir gen Steigungsende und als wir nach langer Abfahrt und einem Picknick in der Sonne den See vor uns liegen sehen, sind es nur noch zwanzig flache, ebene Kilometer. Vier Tage rasten wir in der angenehm klimatisierten Stadt in einem der schönsten und besten Hostels, die wir in China angefahren sind. Vier Tage? Wir sind super faul, probieren uns durch die verschiedenen Backwaren einer chinesischen Teilchen- und Keksbäckerei, studieren und bewerten die Artikel der Online Newspaper nach dem 11.Nov, zelebrieren Pfannkuchenfrühstück und trinken Kaffee for free jeden Morgen zwischen 7 und 10. Die Runde ist die gewohnte alte Charge, zwei brabbelnde Franzosen und die Hunsrücker, zeitweise ergänzt durch ein junges Paar aus französisch Kanada und siehe da, auch die Finninnen sind wieder da! Ist doch klar! Ein großes Dankeschön, geht an dieser Stelle an HEIMAT, den Manager des „coloures in the wind“ – Hostel. Einer aus der Riege der volle Kanne Vollzeit Worker mit dem Herz für Radreisende, deren Zeit er gerne ebenfalls hätte, die, so ist der Plan, aber noch kommen wird.

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