Iran II

Tehran – Tabris – Nurduz (Grenze) (01. – 06.09.)

Es soll noch heute Abend mit dem Nachtbus in Richtung Norden des Landes gehen, Tabris, die ehemalige Hauptstadt mit ihrem quirligen Markt ruft uns noch einmal. Doch zunächst heißt es Abschied nehmen von unserer so lieb gewonnenen iranischen Familie. Ahmad, Saeedeh und Amir Ala werden herzlich gedrückt, wiederholt auch in unser zukünftiges zu Hause eingeladen und wir winken lange zurück, als wir um die Straßenecke biegen. Es fühlt sich ein wenig an, wie vor knapp 1 1/2 Jahren, als wir auf dem Schinderhannesradweg unseren Lieben zu Hause zum Abschied zugewunken haben.
Rein geht es nun ins abendliche Tehran, schlängelnd durch das Einbahnstraßenwirrwarr und über den riesigen Kreisel am Asadisquare zu einem der drei großen Busbahnhöfe. „Isfahan, Isfahan, Isfahan!“ – nein – „Maschhad, Maschhad, Maschhad!“ – nein – “ Tabris, Tabris, Tabris!“ – JA! Gewohnt unkompliziert haben wir bald das Ticket in der Hand und Philipp hat es sogar geschafft Mustafa, dem Ticket Verkäufer,  die Aussage abzuluchsen, dass wir unsere Räder ganz umsonst mitnehmen dürfen. Super für uns, jedoch muss sich Mustafa dafür nun einigen Diskussionen und unfreundlichen Bemerkungen der Busfahrer aussetzen.

Knappe 10 Stunden später, wir sind gerade ausgestiegen, haben die Räder gepackt und orientieren uns mit Hilfe unsrer Handykarten, da bekommen wir in kürzester Zeit schon die zweite Einladung den/die Einheimischen nach Hause zu begleiten und deren Gäste zu sein. Doch der Plan sieht anders aus, nach fast einem Monat zu Gast sein genießen wir, wie bereits im letzten Jahr, den frischen grünen Rasen und das ‚unter-uns-sein‘ des örtlichen Free Camping im Osten der Stadt. Uns gefällt es gut! Wir entspannen, waten die Räder, erkunden erneut den Bazar und lernen Onur, einen Türken auf dem Weg nach Australien kennen, der uns gemeinsam mit seinem iranischen Freund Amir einläd einen Nachmittag die Höhlenhauser in Kandovan zu erkunden und am Abend ein herrliches Menemem zaubert. Wie nicht anders zu erwarten suchen auch Lea und Tarek den Park mitsamt ihren Rädern auf, die sie aus Berlin hierhergeführt haben. Es ist gemütlich, wir fühlen uns wohl und können Energie und Schlaf tanken, bevor es endlich wieder in den Sattel geht.

Das Frühstück dehnt sich mit reichlich Gesprächsstoff bis zum späten Vormittag aus, sodass der Asphalt erst gegen Mittag unter den Rädern zu surren beginnt. Man hört es kaum, so laut und stark ist der uns begleitende Verkehr, raus aus der Stadt und auf der Hauptstraße die in Richtung Marand führt. 20km begleitet uns das Getöse, dann biegen wir ab, den Bergen entgegen, die uns nach Armenien führen sollen. Wir pedallieren durch kleine Dörfer, die meist grüne Oasen in der sonst kargen Landschaft bilden. Alte lehmverputzte Häuser mit flachen Dächern, aufgetürmtes Stroh gleich nebenan, Hühner, Schafe oder Ziegen zwischendrin und die mit frisch gesennstem Gestrüpp hoch beladenen Esel gehören hier zum täglichen Bild. Wir genießen das ländliche Leben, die Berge und Natur nach den städtischen letzten Wochen und vor allem die Stille! Das Bestaunen der Umgebung lenkt uns das ein oder andere Mal von den nicht unerheblichen Steigungen ab, die zum Zähne zusammenbeißen führen, da unsere Oberschenkel, so gar nicht mehr vertraut mit der Last von uns und unseren Gefährten sind. All abendlichen staunen wir nicht schlecht über die stetig strammer werdenden Muskelzüge!

Am dritten Tag erreichen wir am frühen Vormittag Kharvana, steil am Berg gelegen mit Blick in Richtung der iranisch-armenischen Grenze, die sich hinter einigen Hügel und einer steilen Abfahrt in etwa 30km Entfernung befindet. Hier legen wir unsere letzten iranischen Rial mit Hilfe eines Einheimischen, der uns zu den gewünschten Lädchen bringt in Lebensmittel um, Schwarztee, hausgemachter Käse, Tomaten, Gurken und das beste Barbarie – Brot, das wir im ganzen Iran gegessen haben. Doch die Pause lässt auf sich warten! „Nur noch schnell zur Grenze bergab rollen“, dachten wir. Völlig ko erreichen wir deutlich später als geglaubt, nach einigen Kräfte zehrenden Hügeln endlich die Grenze, wo wir uns sogleich der von den Grenzbeamten begangenen Mittagspause anschließen.

 

Isfahan – Kashan – Tehran (25. – 31.08.)

Gibt es eine bessere Idee, als den höchsten Sonnenstand des Tages mit einer VIP Busagentur von Isfahan nach Kashan zu überbrücken? Die gibt es, denn die Nachmittagsluft ist in der 200km nördlich gelegenen Stadt ohne üppige Parkanlagen so am Knistern, dass wir besser im Busterminal bis in den Abend hätten warten sollen. Doch Mohammed steht bereits in den Startlöchern. Er ist Medizinstudent im siebten Semester, voller gespannter und freudiger Erwartung ein iranischer Gastgeber zu sein. Ohne Zweifel! Nach strammen, zügigen Schritten, von Schatten zu Schatten, erreichen wir nach knapp sechs Kilometern nahezu ausgetrocknet jedoch äußerlich im Saft stehend, den vereinbarten Treffpunkt. Der drahtige Mohammed, dem seinerseits die Schweißperlen auf der Stirn stehen, ist außer sich vor Freude und liebkost uns mit Küssen und einem Mittagessen aus der Klinikkantine, welches er im gegenüberliegenden Park ausbreitet. Denn der Plan zwei Radreisende im Studentenwohnheim einzuquartieren ist so eben an der Universitätsverwaltung gescheitert. Jetzt im Schatten auf grünem Gras ist die Stimmung erst einmal relaxed. Doch für den werdenden Arzt, Dr. Mohammed ist damit eine halbe Katastrophe ausgebrochen. Bei jeder Gelegenheit entschuldigt sich der Gute für seine Verfehlung mit liebkosender Demut, um dann seine Hilfsbereitschaft bei jedem Handgriff fast drängend anzubieten. Währenddessen laufen seine Handykontakte heiß, bis sein bester Freund anbietet, im Tausch gegen das Studentenzimmer im Wohnheim, seine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Es ist bereits am Dämmern, als wir zusammen durch ein Neubaugebiet irren und nach zwei falschen Hauseingangstüren, vor Emad seinem Freund stehen, der uns herzlich und entspannt in die geräumige Studenten WG hineinbittet. Langsam legt sich die Nervösität und Aufregung. Der Schlafentzug aus Isfahan macht sich bemerkbar und beim Abendbrot liebäugelt unser Gemüt bereits mit einer Portion Schlaf. Gerade verschwindet das letzte Stück Gurke hinter meiner Kauleiste, als es an der Tür schellt, zwei Iraner und eine Iranerin dahinter auftauchen, die sich nach dem förmlichen „Hallo, wie geht‘s?“ „Gut! Und dir?“ „Ja passt!“ Auf die Couch setzen und mit Mohammed in einer andauernden Diskussion verfallen. Denn und das lässt sich unterdessen in Erfahrung bringen, mehr als eine Nacht können wir nicht in Emads Wohnung schlafen. Leonie ist eigentlich zu müde um die Augen zu rollen, der Abend ist weit vorangeschritten und die Gruppe diskutiert über Busverbindungen, Taxifahrten, einen Ausflug in die Wüste und diverse Sehenswürdigkeiten in der Stadt selbst. Das wir als Gäste eventuell einen ganz anderen Plan haben, steht zunächst an letzter Stelle. Nur die Frage ob eine Wüstentour auf unserer Wunschliste steht, dringt kurz zu uns durch. Fast schon unhöflich müssen wir uns in die Unterhaltung einklinken, um mit Nachdruck zu erläutern, dass zwei Tage in Kashan, kaum reichen werden, die Innenstadt und einen Besucherradius von sechzig Kilometer im Umkreis zu besichtigen, weshalb wir erstens schlafen müsse, zweitens eine Unterkunft in Zentrumsnähe, zur Not auch für eine Nacht im Hostel, bevorzugen würden. Nach weiteren 15min steht das Trio plötzlich auf und verschwindet so spontan wie es gekommen war. Totmüde mit der Aussicht um 06:30 aufstehen zu müssen, um mit Mohammed die Wohnung zu verlassen, gehen wir zumindest geduscht zu Bett.

Die kuriose Nervösität Mohammeds, das persönlich nicht kommunizierte Verhalten, mit dem Mix ein perfekter Gastgeber sein zu müssen, begleitet uns durch die Zeit in Kashan. Auch wenn wir am Ende zwei Nächte ohne Probleme in Emads Bude, die Platz für vier Personen bietet, bleiben können, überrascht uns Mohammed, jeden Tag mit spontan variablen Planungsänderungen.

Trotzdem genießen wir Kashan wie keine andere Stadt, die wenig Touristen anzieht, uns jedoch an fast jeder Ecke überrascht staunen lässt. So unberührt, traditionell und verzaubernd wirken die alten Häuser, Moscheen und der Bazar auf uns.

Zurück in Tehran sind wir vollgepresst mit Eindrücken und Erlebnissen die wir bis zum Tag unserer Abreise mit guten Freundinnen von Amirala bei Hauptstadtflair und Zwiebelkuchen, einer Portion ‚Kwetschekuche‘ am Tag darauf und dem Besuch von Faranak verarbeiten. Mit Ahmad und Saeedeh besuchen wir die Assadi Brücke und genießen den Blick vom Hausberg hinunter auf die Metropole die in den bunten Lichtern der Sommernacht weiter glühen.

 

Shiraz – Isfahan (20. – 25.08.)

Von Leonie

Beim nach Isfahan werbenden Kopiloten der Busgesellschaft „Persian express“ finden wir, zunächst zu unserem Entzücken, den vordersten Platz am persischen Rasiosender, als dieser gepaart mit Lichteffekten die ganze Nacht auf gleichbleibender Lautstärke singt wechselt unsere Freude in müde Resignation. Die ersten Sonnenstrahlen genießen wir bereits in Isfahan, nach morgendlichen Fitnessübungen an den Geräten des nächsten Parks und einem kleine Frühstück sind wir fit für eine früh morgendliche Stadterkundung. Der Imam-Platz mit der riesigen Imam-Moschee lässt uns ein erstes Gefühl der so stimmungsvollen Stadt erhaschen. Wie beeindruckend steht die Imam Moschee mit ihrer riesigen Kuppel am einen Ende des rechteckigen Platzes, der rundherum von einer Mauer in deren Vorderseiten unter Rundbögen zahlreiche Geschäfte und Lädchen sind, eingefasst ist. An den Längsseiten stehen sich die Lotfullah Moschee und der Palast gegenüber. Faszinierende Bauwerke aus vergangener Zeit. „Isfahan ist die Hälfte der Welt!“, wie ein persisches Sprichwort sagt, mit den Eindrücken und der spürbaren Stimmung gibt es keinen Zweifel daran, dass es zu Hochzeiten der Seidenstraße so gewesen sein muss. Der Bazar erwacht gerade als wir uns, durch die meist noch leeren Gänge unter der gewölbten Decke auf den Weg zu Reza und seiner Familie machen. Auch die beiden Brüder scheinen eben erst erwacht zu sein. Herzlich empfangen uns Reza und Majid im ersten Stock des kleinen Mehrfamilienhauses an der Tür der Familienwohnung. Teppiche, Deckchen, benutztes Geschirr, ein paar Kekse, Trauben und Kabelchaos aus Rezas Zimmer, mittendrin sitzen wir im Wohnzimmer und lernen die beiden Brüder kennen. Reza, leidenschaftlicher Bastler und von Beruf Laptop-Reparateur hat in seinem Zimmer, das gleichzeitig Garage, Schlafstätte und Werkstatt ist kaum Platz um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Majid der jüngere Bruder genießt das lange Schlafen, englische Serien und etwas zeichnen bevor er in wenigen Monaten sein Studium aufnehmen möchte. Die beiden lieben Radfahren und erradeln gemeinsam auf kleineren und größeren Mountainbiketouren die nähere Umgebung.

Mit Majid erkunden wir am späten Nachmittag im armenischen Viertel der Stadt die Vank-Kathedrale, eine christliche Kirche, die von den in Isfahan lebenden Armeniern erbaut und genutzt wird. Das angrenzende kleine Museum gibt einen Einblick in die Geschichte der im Iran lebenden Armenier. In der untergehenden Sonne sitzen wir wenig später am Ufer des Zayandeh-Rood, bzw. an dessen ausgetrocknetem Flussbett, denn auch hier macht sich der Wassermangel bemerkbar. Wasser gibt es im Sommer im Fluss schon lange nicht mehr, schade sonst könnte es einen fast an unsere Wahlheimat und hiesige Partnerstadt Freiburg erinnern. Stattdessen bestaunen wir die, in vielen Bögen das Flussbett überspannende Khadju-Brücke und finden uns später begleitet von Nasrin und deren Mutter, beides Freunde der Jungs auf der ebenso schönen Sio-Se-Pol Brücke wieder. Singende Isfahanis beweisen unter den Brückenbögen die Künste der persischen Musik und als Reza und Narges, Nasrins Schwester, dazu gestoßen sind, zieht die lachende und albernde Meute weiter zum Abendessen. Die Truppe junger Isfahanis ist voller Energie und guter Stimmung. Nasrin, die seit 1 ½ Jahren in Deutschland wohnt und studiert besucht gerade die Familie, Narges ihre Schwester, kennt Reza von der Arbeit in der Elektronikreparatur, dessen sie sich kurz, aus Interesse gewidmet hat, sie selbst jedoch handelt mit Aktien an der Börse. Die beiden Schwestern lachen, scherzen und albern, sodass jeder sogleich von dem lauten Gelächter der beiden angesteckt wird. Wir haben einen schönen Abend und fallen gewohnt spät im Werkstatt-Garagen-Zimmer ins Bett.

Da unsere Räder sicher bei Ahmad in der tehraner Garage stehen sind wir mittlerweile zu richtigen Wanderern geworden. Davon überzeugt sich Majid ausdauernd am nächsten Tag, als wir gemeinsam „die Hälfte der Welt“ zu Fuß erkunden. Sichtlich geschafft erwarten alle das Picknick am späten Nachmittag im Park. Heute ist Autofreiezone in der Innenstadt, daher tummeln sich zahlreiche Fußgänger, Fahrradfahrer und –Innen, die der konservativen Regelung des Radfahrverbots für Frauen trotzen und mit Stolz ihrem Sport nachgehen. Am Folgetag, als die Räder von Reza und Majid nicht gebraucht werden, dürfen wir diese ausleihen und die Stadt im Sattel erkunden. Auch ich werde mehrfach darauf angesprochen, vorsichtig zu sein, da es sich als Frau nicht gehört in der Stadt Fahrrad zu fahren. (Für weitere Infos: http://www.ibtimes.com/womens-rights-iran-2016-bicycle-protest-fatwa-spawns-social-media-campaign-change-2421065 )

Am Abend haben wir eine Verabredung mit Narges, alle sind eingeladen, sie in ihrem Häuschen zu besuchen. Es ist herrlich! Sie wohnt in einem kleinen Museum! Das alte Häuschen der verstorbenen Tante steht ihr voll und ganz zur Verfügung, die Einrichtung aus den 70er Jahren, Bilder von alten Verwandten, die typischen persischen Teppiche und manch eine Türe, bei der wir alle beim Durchschreiten den Kopf einziehen müssen. Auf der großen Terrasse sitzend wird viel gelacht, ein leckeres Abendessen gegessen, auf Persisch, Deutsch und Englisch viel erzählt. Ein Abend mit Freunden!

Wir fühlen uns so herrlich wohl, dass schnell entschieden ist noch einen Tag hier zu bleiben und die Zeit wie richtigen Urlaub, abseits von Regeln und Normen des öffentlichen iranischen Lebens absolut genießen können. So ungezwungen, offen und herzlich ist hier der Umgang miteinander. Ein Gaumenschmaus folgt dem nächsten und mitten auf dem persischen Teppich wird zu Mittag „Krumbereplätzscha und Appelkompott“ aufgetischt, denen am Abend eine frische „Obe-Doogh-Rial“ (Joghurt – Gurken – Suppe) folgt…mmmhhh!

Dann heißt es Abschied nehmen von den vier uns so lieb gewonnenen Isfahanis! Herzliches Drücken und der Wunsch sie irgendwann in unserem zu Hause willkommen zu heißen begleiten das Winken und die Gedanken.

 

Yazd – Kerman – Shiraz (15. – 20.08.)

Von Leonie

Nach diesem tollen Einstieg, geht es nach drei Tagen weiter. Es ist kein Problem einen Bus nach Kerman zu finden, die Fahrer rufen mit lauter durchdringender Stimme die jeweils angefahrenen Städte über den Platz: „Tehran, Tehran, Tehran!“, „Shiraz, Shiraz, Shiraz!“, „Kerman, Kerman, Kerman!“ So sitzen wir wenige Minuten nach Ankunft am Terminal bereits im Bus. In Kerman sind es Leila und ihre englischsprachige Freundin Nargess, die uns erwarten. Zwei taffe Frauen, die sich mit Radfahren und Bergsteigen ihre Freizeit gestalten. Leila wohnt, unverheiratet, alleine in einer Wohnung, was für iranische Verhältnisse untypisch ist. Beide sind sehr interessiert an unseren Abenteuern und Leila selbst bereitet sich gerade auf eine geführte Radtour von Baku nach Batumi vor. Die beiden sind sehr bemüht uns ihre schöne Stadt näherzubringen und so geht es nach erfrischender Melone und leckerem Chai gemeinsam zu einer kleinen Stadtranderkundung und zum weiter außerhalb gelegenen Fathabad Garten, einer persischen Gartenanlage. Kashk Bademjoon, gemeinsam mit vielen nachtschwärmenden Iranern im stimmungsvollen Park schmausend, klingt der Abend schließlich auf den persischen Schlafmatten in Leilas Gästezimmer aus.

Der große alte Bazar mit seinem geschäftigen Treiben, den Innenhöfen und der angrenzenden Freitagsmoschee bieten alles an nützlichen und weniger nützlichen Waren. Tomaten, Gurken, Käse und Brot finden ihre Abnehmer und Verzehrer im anliegenden Fleckchen grün inmitten des Straßenkreisels. Der Tag verfliegt wie im Nuh, bei guter Stimmung während dem gemeinsamen Abendessen wandert die Unterhaltung mit Hilfe von Hand, Fuß und der englischen Sprache über das Leben im Iran, die Religion und deren Auslegung zum Reisen und Entdecken neuer Menschen, Länder und Kulturen. Kurz zweifelnd, ob wir tatsächlich noch heute in den Nachtbus nach Shiraz steigen sollen oder doch den schönen Abend hier ausklingen lassen.

Früh am Morgen stehen wir in Shiraz, zur selben Zeit, etwa 10km westlich von uns, hat Asad bereits sein allmorgendliches Fitnessprogramm absolviert und erwartet uns im eigens für Radreisende bereitstehenden verwaisten Kinderzimmer seines, nun in Stuttgart studierenden Sohnes Ehsan. Bevor wir jedoch in unserem Zimmer, ausgestattet mit Bett, Tisch und Stühlen, die Toilette gleich nebenan, in der „Pension Asad“ unser Frühstück einnehmen können, wehren wir die Taxifahrermeute ab, “Mister Mister, Taxi! Taxi! Taxi, Mister!“ ruft es uns aus allen Richtungen ununterbrochen entgegen. Alles „No!“, „Nein!“ und „Na, merci!“ helfen nichts, bis wir zur typischen Geste für nein greifen. Ok, verstanden, es wird nicht mehr gefragt! Stattdessen finden wir, getrennt nach Geschlechtern im Stadtbus Platz. Asad, mitte 60, senior-schlank, spricht sehr gutes Englisch, scheint froh über den wechselnden Besuch zu sein, denn er unterhält uns immer wieder mit kleinen Geschichtchen und Anekdoten. J Seine Frau Farkhonde bekocht uns vorzüglich, so wie bereits von Ehsan in seinem Warmshower-Profil ankündigt, leider sehen wir sie sonst kaum und auch das Ehepaar scheint wenig in Kontakt miteinander zu stehen, solange es nicht um die Essenszubereitung geht, die absolut in Farkhondes Hand liegt.

Ausgiebig ausgeruht wird gegen Abend der nächstgelegene Park für einen Spaziergang genutzt und bunte Unterhaltung stellt sich an jeder Ecke ein. Sei es mit Ben, einem backpackenden Australier, vielen Iraner die für kurz oder länger an unserem Gespräch teilnehmen oder die verschiedenen Bäcker in deren heiße Stuben wir nur zu gerne lucken. Es ist schön diese Offenheit und das ganz selbstverständliche aufeinander zugehen und miteinander ins Gespräch kommen wieder zu erleben.

Nicht nur die Stadt erschließt sich uns ein wenig in den nächsten Tagen, auch den Garten der Familie, 30km außerhalb der Stadt dürfen wir besuchen. Äpfel-, Nuss- und Feigenbäume sowie Trauben und Granatapfelsträucher, deren Früchte auf das Ernten warten, stehen trocken auf ummauertem etwa 40 x 40m Boden. Das im Süden des Landes herrschende Wasserproblem wird uns wieder vor Augen geführt. So richtig zum Entspannen läd uns der wüste, trockene Garten nicht ein. Das lässt auch Asads Zeitplan nicht zu, denn nach dem Erklimmen des nächsten Berges im Laufschritt unter glühender Hitze fahren wir schon wieder zurück ins naheliegende Shiraz.

Mit dem Bus in die Stadt, durch kleine Sträßchen, vorbei am regen Bazartreiben kommen wir am Grabmal des Shah-e Cheragh raus, den man, im Gegensatz zu den meisten Moscheen umsonst besichtigen kann. Der Schador, für Touristen weiß, sodass man wie ein weißes Schaf in der schwarzen Menge sofort heraussticht, liegt am Eingang bereit, die einheimischen Touristenführer sind direkt zur Stelle und führen uns, auch wieder getrennt, durch die riesige und prachtvolle Anlage. Wir bummeln von Moschee zu Moschee, über den großen Bazar, der in der Hauptsache aus Plastikkleidung und Stoffen besteht hin zum Park um dort bei iranischem Picknick die Eindrücke von dieser deutlich größeren und touristischeren Stadt, bei frischen, nur so im Munde schmelzend-süßen Datteln auf uns wirken zu lassen.

 

Tehran – Yazd (08. – 15.08.)

Von Leonie

Mit einigen „allahu akbar“ – Ausrufen, Applaus und Freude setzen wir, nach den nicht unerheblichen Turbulenzen am Nachmittag, sanft in der untergehenden Sonne am tehraner Imam Khomeini Flughafen auf. Schnell sind wir im Flughafengebäude und ebenso schnell, das Abendgebet steht vor der Tür, haben wir unser zweites iranisches Visa im Pass, deutlich teurer als vermutet, jedoch on-arrival. Das Gepäckband hat längst aufgehört seine Runden zu drehen als wir unsere Räder, sowie das Gepäck in der hintersten Ecke erblicken, alles weitestgehend unbeschadet, was ein Glück!

Philipp beginnt sogleich mit dem Zusammenbau der zerlegten Räder, während ich mich auf der nebenstehenden Bank ausstrecke, zitternd, dick in den Schlafsack eingepackt, so ganz unbeschadet habe ich den Flug leider nicht überstanden und mir einen Infekt eingefangen.

Am frühen Morgen, mäßig ausgeruht, satteln wir unsere Räder und finden nach einigem hin und her die richtige Straße, die uns zur Autobahn und dann in ca. 30km nach Tehran bringen wird. Für einen Tag im Sattel, wieder auf der Straße, es ist gewohnt heiß und die Überholenden hupen, lachen und winken uns herzlich zu. Mein gesundheitlicher Zustand lässt zu wünschen übrig und so bin ich froh, als Tehran näher und näher kommt. Nach einigem bergauf, bereits mehreren Einladungen zu Tee, Eis und Wasser, stehen bzw. sitzen wir endlich bei Ahmad und Saeedeh im Stadtteil Jusuf Abad vor der Türe. In der ohnehin nicht langen Wartezeit werden wir von Mehdi angesprochen, dessen Heimat Maku im Nordwesten ist. Eben dort, wo uns K1 im letzten Jahr einen wunderbaren Einstieg in den Iran bereitet hatte, sogleich schießen wir ein Bild, welches K1, unser gemeinsamer Freund, wenig später erhält, was ein Zufall!

Es ist nicht Ahmad, der uns die Türe öffnet. Sein jüngster Sohn Amir Ala (25) begrüßt uns jedoch ebenso herzlich, wir fühlen uns gleich wieder wie zu Hause in bekannter Umgebung. Diese, das angekommen sein und eine Dusche führen bei mir zu einem gnadenlosen Systemabsturz, der mich den Rest des Nachmittags bis hin zum nächsten Morgen abwechselnd schwitzend und frierend im Bett verbringend lässt. Philipp wird unterdessen direkt zum Besuch zu Freunden der Familie eingeladen und verbringt den Abend in entspannter Atmosphäre mit Ahmad zu Hause.

Entspannte Tage, auskurierend, mit Tee, Inhalation und sonstigen Hausmitteln umsorgt, ermöglichen mir der Einladung von Ahmads Vater Jafar zum Familienessen zu folgen. Es ist schön bekannte Gesichter der Familie wiederzusehen und weitere Tanten, Onkels oder Cousins kennenzulernen. Der über 80jährige Kopf der Familie genießt sichtlich das muntere Treiben, Lachen und Erzählen seiner Lieben. Auch Saeedehs Familie dürfen wir am nächsten Abend kennenlernen. Es ist noch lebhafter mit kleinen Kindern und viel Gelache der drei Schwestern. Bei allen Einladungen werden wir unglaublich verwöhnt! Obst, Nüsse, Trockenfrüchte und Gebäck als Vorspeise, Safranreis, Salate, Gemüse und weiteres Obst, Eis oder Süßes als Nachtisch…mmmhhh!

Wir packen kleines Gepäck, in zwei Rucksäcken soll alles sein, was wir die nächsten Tage benötigen. Noch einmal zum Essen zu Verwandten, bevor wir am späten Nachmittag die tehraner U-Bahn in Richtung Bahnhof besteigen. Wir fahren mit dem Zug! Im Bahnhof erwartet uns das übliche Gewusel und wie in China ist es, erst als die Bahn am Gleis steht, gestattet den Bahnsteig zu betreten. Freundlich bekommen wir unsere Plätze zugewiesen und sind erstaunt, als Snacks, Wasser und Kopfhörer für das Fernsehprogramm verteilt werden. Gemütlich geht es Richtung Süden, es ist bereits 01:30 am frühen Morgen, als wir Yazd, die alte Oasenstadt erreichen. Mohammad heißt uns am frühen Morgen herzlich willkommen und wir fühlen uns gleich wohl und heimisch bei dem energiegeladenen Mitdreißiger, der perfektes Englisch spricht und immer ein breites Lachen im Gesicht hat. Die nächsten Tage verbringen wir in seinem Haus so untypisch iranisch, wir dürfen mithelfen, selber kochen und den Abwasch machen, es ist herrlich und wir genießen die, leider immer nur kurze Zeit mit Mohammad, seiner Frau Mahboobeh und der quirligen Tochter Anita. Täglich nach dem Frühstück ziehen wir los, die Stadt zu erkunden. Yazd ist traumhaft! Eine der ältesten Städte des Irans mit einer bezaubernden Altstadt, kleinsten Sträßchen, alten Häusern, die alle mit Lehmputz verputzt sind, imposanten Moscheen mit unglaublich schönen blau-türkiesen Mosaiken, Häuser mit Windtürmen, die als antike Klimaanlagen dienten und natürlich voller netter und interessierter Iraner.

In den nächsten Tagen stößt Verena, eine Soloradlerin entlang der Seidenstraße auf dem Weg nach Osten hinzu. Ebenfalls soloradelnd ist auch Lotta unterwegs, die muntere Finnin, die bei Mohsens Familie in Maschhad einkehrte, während wir durch Mohsens Handy aus Kuala Lumpur bei Skype vor wenigen Tagen durchgewunken haben. Es ist schön mal wieder Raderlebnisse zu teilen! Mohammads Einladung folgend, besteigen wir am Nachmittag die Türme des Schweigens, dies sind beeindruckende Berge auf denen die Toten der Zoroastriens (eine sehr alte Religion die um das 5 Jhd. v. Ch. vor allem im iranischen Raum verbreitet war und heutzutage immer noch einige Anhänger dort hat) luftbestattet wurden. Am Abend dürfen wir sprachinteressierte Iraner in Mohammads Sprachschule kennenlernen, die vermutlich ebenso nervös sind auf Englisch zu sprechen, wie Verena die sich um ihre anstehende Busverbindung nach Isfahan sorgt, und ihnen einen Einblick in unsere Reise ermöglichen, bevor es zu Mahboobehs Kunstatelier geht.