Es regnet nochmals einen guten Schutt Wasser auf uns runter als wir die laotische Grenzstation anfahren, die sich im Vergleich zur riesigen chinesischen Abfertigungshalle mit diversen Schaltern und noch mehr Kameras, auf das notwendigste beschränkt. Zwei Schalter, eine Straße mit Schranke und einem Vermerk, dass das Formular für Visa on arrival, auf der Fensterbank liegt. Das Rückgeld wird uns improvisiert in laotischer und thailändischer Währung zurückgegeben. Ein einzelner Dollar war glaube ich auch dabei. Ein Zollformular gibt es scheinbar keines, obwohl Tags später eine Zollstation auf dem Weg liegt. Mit nass schwammigem Gefühl auf dem Sattel geht es weiter, nicht weil das Radhosenpolster sich so anfühlt, nee! Der seit Wochen marode hintere Mantel ist an einer Stelle an der Flanke gerissen und der Schlauch drückt sich ins Freie. „Bis Laos!“, hab ich mir immer gedacht, „soll er es noch machen!“ Jetzt ist er fürs erste platt. Mit sechzig Pumphieben rollt er dann doch noch mit sorgenvollem Blick in den nächsten Ort, wo wir in einem trockenen Hotel unterkommen. Die noch nassen Räder werden im Innenhof als erste geduscht, bevor der rote Lehm, mit der aus dem Wolkenloch luckenden Sonne feste erstarrt. Dann die Taschen und Schmutzüberzieher reinigen und erst jetzt brausen auch wir den Dreck vom ausgekühlten Körper. Auf dem Bett ruhend machen sich die Blicke vertraut mit dem laotischen Kip. Nach ungläubigem Gefühl ist die innere Ruhe und ein Stück Vertrauen dahin, sind wir doch tatsächlich beim Wechseln der guten Frau auf den Leim gegangen und haben rund 20$ bei dem Geschäft liegen lassen. Danke für die ärgerlichen und lehrreichen Stunden, die sich an diesem Abend kopfschüttelnd bis zum ins Bett gehen ziehen. 1000 Kip sind eben keine 10000 Kip auch wenn sich beide Scheine zum Verwechseln ähnlich sehen. Das Frustessen der Mantou, die für morgen gedacht waren, beruhigt an dieser Stelle ein wenig.
Als der Mantel am nächsten Tag weiter seine Kilometer macht, steckt in ihm an der verletzten Stelle, eine vierlagige Plane, die den Schlauch am Blick ins Freie hindert. „Bis Luang Prabang!“, ist das nächste erklärte Ziel. Über die haupte Verkehrsader geht es durch das nördliche Laos. Einfache Bambus- und Bretterhütten beide auf Pfosten, je nach Bauart zwischen 0,5 bis 2,5 Meter über dem Grund. Wohnraum meist nicht größer als 3 auf 3 Meter, oft mit integriertem Lädchen. Eine Leiter oder Treppe führt dann zur Hauseingangstür. Die kleinen Dörfer an der Straße sind so anders als noch vor zwei Tagen. Es wuselt an Kindern in jeder Ecke. Kleine, ganz Kleine, die von Kleinen getragen werden, Jugendliche, Eltern und Großeltern, wieder ist die Straße Spielplatz und Arbeitsplatz zu gleich. Das Bild wirkt auf uns nachdenklich, wenn wir uns vor Augen führen, mit wie wenig die Familien hier leben. Doch ausnahmslos alle lachen von innen heraus in den Tag und rufen mit einer Freude „Sabaidi!“ und lächeln dann mit strahlenden Augen, denn so werden wir an jeder Kurve gegrüßt. Ein klasse Empfang und tolles Gefühl nach zwei Monaten verschüchterter Chinesen. Typisches Bild sind nun mit Handarbeit aufgebrachte bunte Stickereien, auf knöchellangen Wickelröcken. Ein aus Bambus geflochtener Korb, der mit Naturalien gefüllt, stets von Frauen auf dem Rücken getragen wird, wenn dort nicht ein Kind im Tragetuch sitzt. Dazu ein Garten- oder Buschwerkzeug. Die Dörfer sind offen, ohne Grundstücksgrenzen, geköchelt oder gekocht wird im Freien, weshalb es vor jeder Hütte glutscht und rauchig duftet. Erneut fasziniert die Gemeinschaft die buddhistisch geprägt und an der öffentlichen Wasch-, Dusch- und Wasserstelle ein lebhaftes Treiben vereint. Kultur die so viel ehrlicher ganz ohne Beton auskommt. Die Einheimischen sind auf Rollern und kleinen Mopeds zu Hause, wenn sie wie wir die Straße nutzen. Privatautos sehen wir hier keine, Ackermaschinen sind bereits purer Luxus, auch wenn diese in die Jahre gekommen sind.
Am Nachmittag nähern wir uns den 10- bis 12% -igen Steigungen laotischer Straßenbauer, sanfte Anstiege sind verzichtbarer Luxus! Das hatten wir noch zuvor im Radreiseführer gelesen. Den ersten Pass, es ist bereits dunkel, erreichen wir entkräftet mit zitternden Beinen. „Nur noch Nordlaos“ sagt eine innere Stimme, dann liegen die Berge erst einmal hinter uns. Leonie’s Blick zeichnet das selbe Verlangen. Der weite Blick von unserem Zelt, das neben einem kleinen Bambusverschlag den weit und breit einzigen fast ebenen Platz gefunden hat, entschädigt die Qualen. Dicht gebuckelte, steile bewachsene Hänge so weit das Auge reicht, dann ist das letzte blasse Rot am Horizont verschwunden und nur die Scheinwerfer der LKW’s, die sich ebenfalls mühevoll aus dem Tal hinaufschrauben, bilden eine leuchtende Linie durch die Nacht.
Geschafft! Mit 1200m sind wir diesen Morgen über dem Nebel, der sich gewöhnlich bis vormittags in den Tälern hält und dann von einem hitzigen Tagesverlauf abgelöst wird. Über den Pass ziehen dichte Nebelschwaden, die dann hinunter ins Tal rutschen und sich ins Nebelmeer ergießen. Fantastisch wenn dann beim Frühstücken die Sonne scheint und sich alles im Fluss des Nebels bewegt. Mit laotischer Musik aus ihrem Handy, spaziert eine Frau mit Korb und Feldmesser den Pfad an uns vorbei zum nächsten Acker, dann setzen auch wir uns in Bewegung und tauchen ab ins kühle Tal Richtung Oudomxay..
Es sind die Kinder, deren Verantwortung, wenn sie Säuglinge tragen oder Buschmesser so groß wie ihr halber Körper gekonnt einsetzen, wir mit respektvollem Lächeln begegnen. Alle spielen und doch sind sie früh eingebunden in Vertrauensaufgaben und Alltägliches.
In der Kleinstadt Oudomxay finden wir zufällig die Touristeninformation in der wir Seiko, eine freundliche und sehr hilfsbereite Japanerin kennenlernen, die für ein Jahr den japanischen Bundesfreiwilligendienst in der Wachstumsbranche Tourismus leistet. Kompetent gibt sie die Wettervorhersage der nächsten Tage durch und navigiert uns auf der Karte zum Marktplatz, zum chinesischen Supermarkt und einem kleinen Laden in dem wir unsere letzten Mantou kaufen! Wir sind von den Socken. Wir versprechen, falls wir uns für die kleine Nebenstraße nach Ban Lathan entscheiden, die Optionen der Weiterreise über den Mekong weiterzuleiten und den Weg für RadfahrerInnen zu bewerten. Sie lacht, winkt und ist gespannt.
Hinter dem Stadtkern, an einem geschlossenen Laden, auf einer Bank sitzt Luis mit seinem Rucksack. Etwas tapsig mit seinen großen Füßen, die in qualmenden Wanderstiefeln stecken und den großen Händen, die er durch seine Rasterlocken prangt, versucht er per Anhalter in den Süden zu gelangen, ohne zu wissen, wo er sich gerade befindet. Wir helfen aus und wünschen einander eine gute Reise. Es dauert nicht lange, als uns in einer Kurve der nächste Reisende auf der Straße entgegenkommt. Ronan (25) und Fahrrad aus Frankreich, in Bangkok gestartet um nicht im europäischen Winter radeln zu müssen, der sonst seine Saisonarbeit in den Alpen als Tourguide wäre. Obwohl wir uns in entgegengesetzter Richtung treffen, haben wir Luang Prabang als gemeinsames Ziel. Bündig erklären wir die Option der Nebenstraße die uns, Luftlinie 60km weiter südlich, an den Mekong bringen sollte, um dort die Fähre, von der wir nur vermuten das es sie geben muss, zum Zielort zu besteigen. Französisches Interesse ist geweckt und als wir zu dritt an der Abzweigung stehen, deckt sich Ronan mit Nudelrationen ein und die staubig festlehmige Piste deckt sich mit unserer Einschätzung von Nebenstraßen. Das Trio rumpelt los und an einem überdachten Unterstand ca. eine Stunde und acht Kilometer weiter organisieren wir unser Lager, damit die Zelte am frühen Morgen nicht vom Feucht des Nebels durchtränkt sind. Bis in den späten Abend sind Radreiseerfahrungen, Lebensphilosophie und das Abendessen guter Unterhaltungswert.
Insgesamt trennen uns 115 km bis nach Ban Lathan, dem letzten Ort auf dieser Piste. Parallel zum Flusslauf geht es vom Frühstück nach Muang Na, 42km entfernt, in der Tendenz bergab! Doch das Auf und Ab lassen uns nur das Klettern der dachsteilen Anstiege spüren. Die kleinen Dörfer sind so lebendig und wenn wir an einer Schule vorbeifahren, kreischen alle aufgeregt „Sabaidi!“, drehen sich im Kreis oder springen vor Freude in die Luft. Es sei denn, die Mädchen sind mit dem Fangen und Werfen eines Balles beschäftigt oder die Jungs mit einem Spiel, bei dem mit der Schnur einer Art Angel oder Peitsche, ein faustgroßer Holzkreisel umwickelt wird, den Spieler A mit einer geschickten Bewegung in der Luft, kreiselnd auf dem Boden plaziert und Spieler B mit seinem Kreisel-Peitschenset, aus beachtlicher Entfernung, versucht abzuschießen, in dem er den Holzkreisel wie ein Geschoss auf den Kreisel von Spieler A schleudert. Staunend zeigen wir wie beeindruckt wir von diesem Spiel sind. Je weiter der Tag, desto entlegener wird der Eindruck der Siedlungen. Ein Sammel-LKW passiert uns, sonst nur geflickte Mopeds und Fußgänger. Es wird angebaut was zum Leben gebraucht wird: Reis, Süßkartoffeln, vereinzelt Tomaten, Mais, Ananas, Kürbis, Tabak, Bananen, Eier und Fleisch, meist in vitaler Gestalt wie Kuh, Wasserbüffel, Federvieh oder Schwein, das ohne Barriere in großen Radien unterwegs ist. Für alles andere gibt es den kleinen Dorfladen oder den Markt in Muang Na, der am späten Nachmittag, als wir die Ortschaft erreichen, jedoch wie ausgestorben vor uns liegt. Die Marktfrauen die noch die Stellung halten, versichern uns, dass es morgen mehr Auswahl an frischen Waren geben wird. Wir sind beruhigt. Sie zeigt dann noch auf die Uhr und hebt vier Finger, alles klar denken wir, Marktbetrieb scheinbar nur vormittags.
Auf der Suche nach einem Zeltplatz in nicht allzu weiter Entfernung, laden wir auf der Wiese von Sung (24), der am Ortsrand einen Laden für SIM-Karten, neues Guthaben und Internet unterhält. Er spielt gerne Fußball pflegt seinen eigenen Garten, neben seinem prächtigen Haus und spricht eine Hand voll englischer Wörter. Den Rest erledigt der Google Translator via WiFi. Bis seine Freundin Kib (24) auftaucht, die zwei Hände voll englischer Wörter spricht und stolz ihre Überlegenheit ihrem Sung zulächelt. Es ist ein gemeinschaftlicher herzlicher Abend, fast wie WG-Leben, als wir frisch geduscht, zusammen beim Abendessen sitzen, Beer Lao trinken und frittierte Algenblätter knuspern.
Es dämmert noch nicht, als Sung am Morgen mit seinem Roller hinunter zum Marktplatz knattert und kurze Zeit später zurückkommt. Als wir uns nach gemeinsamem Frühstück verabschieden, ist es 09:30 Uhr, nicht weil ich jetzt doch den Hinterradmantel wechseln musste, sondern weil Sonntag ist und selbst Ronan den Tag entspannt beginnt.
Nur noch hinunter zum Markt, einkaufen und… der Markt! Wir können es kaum fassen, das gleiche Bild wie am gestrigen Tag. Jetzt dämmert es auch uns! Vier Finger hießen: Markt um 04:00 Uhr vor der Dämmerung, denn danach haben die Leute auch noch anderes zu tun! Wir nehmen, was wir verwerten können. 3kg Reis, welkenden Blumenkohl, wo auch immer der herkommt, Kokosnussmilch und naja…
Die Erfahrung ist so eindringlich, das wir in Laos stets um 05:30 Uhr aufstehen, sollte ein Marktbesuch auf dem Tagesprogramm stehen. Auch sonst passen wir uns mehr und mehr dem Nacht-, Tagrhythmus der Einheimischen an, der feste mit der Sonne verbunden ist und um 20:00 das Ende des Tages beschreibt. Ausgenommen Karaokeabende mit reichlich BeerLao und Hochzeiten, was Karaoke nicht ausschließt, eher mehr denn sonst voraussetzt, enden mit gewaltigen PA-Anlagen, die kilometerweit zu hören sind, spätestens nach 23:00 Uhr, denn dann greift die gesetzliche Sperrstunde auf die wir uns meistens verlassen können.
Der späte Start in den Tag beschert uns Strahlungsintensität satt und erneut wahnsinnige Steigungsgrade die selbst bergab, kaum sicher fahrbar, geschweige denn Spaß machen. Die Bremsen glühen und ist der tiefste Punkt der Senke erreicht, spiegelt sich die Steigung ganz einfach ins Gegenteil. Jeder schaltet wohl wissend hinunter in den ersten Gang, um zumindest einen gewissen Anteil der Rampe mit rotierender Kraft zu erradeln, dann wird geschoben. Immer wieder sagen wir uns, wir haben solches Glück das es zuvor und währenddessen nicht regnet. Nach Querung einer Bambusbrücke, die nur für Zweiräder passierbar ist, besorgen wir Eier und an der Straße im Schatten köchelt kurze Zeit später das türkische Menemem, während Ronan im Tal seine Suppe löffelt. Wir erreichen nach 36km Tagesstrecke unser Ausdauerlimit und zelten völlig erschöpft vor der Einfahrt einer Rotkreuzstation mitten im Dorf, um früh am nächsten Morgen die Chance auf dem kleinen Marktplatz einzukaufen nicht ungenutzt zu lassen. Mit den Vorbereitungen für das Abendessen, gesellen sich immer mehr Zuschauer um uns und als der Kocher mit einer steilen Flamme startet, rückt das dreißigköpfige Publikum einen halben Schritt vor, um bei den köchelnden Töpfen nichts zu verpassen. Als all die Zutaten im Topf gelandet sind, wird zwei Meter entfernt auf das Zitronengras aufmerksam gemacht, welches den Geschmack vorzüglich abrundet. Bon appetit et bon nuit avec laotischer musique! 🙂
Bei den ersten Weckrufen des männlichen Federviehs, ist der Markt leer. Wie tags zuvor und auch als wir das Dorf verlassen, hat sich am Markttreiben nichts geändert. Den Mekong und uns trennen 35 km, einen Pass von 1145m Höhe und Passagen, die in 3,5km um 500 Höhenmeter steigen. Selbst der Begriff „Radwandern“ ist hier nicht mehr zutreffend. Meist müssen wir zu zweit ein einzelnes Rad schieben, um dann die Wegstrecke ein zweites und drittes Mal mit brennenden Beinen und Lungen zu bewältigen. In einem steilen Tal brechen an diesem Tag die einzigen Fremden auf kraftvollen, 3km im Voraus laut wahrnehmbaren, Vollmotocross-Maschinen an uns vorbei! Unsere Blicke treffen einander, keiner versteht den anderen, dann hört man sie noch für knapp zwei Minuten. Ein Nachmittagsausflug, ist eben keine Dreitagestour. Hinter dem Pass schmeckt das Blumenkohlgemüse dreimal so gut wie gestern. Jetzt nur noch bergab nach Ban Lathan, 20 km wir hätten es wissen müssen! Die Piste hat noch einige Überraschungen, wie knietiefer Schlamm, die Metamorphose zur Wanderwegsbreite, tiefe Spurrinnen durchziehen den Weg, was Balancevermögen und vorausschauendes Denken erfordert und kein entspanntes, spürbares hinabrollen. Als wir am Ziel ankommen sind wir alle zusammen deutlich gezeichnet und zusätzlich durch die Hitze schweißgebügelt. 17:00Uhr geschafft!
An der Abzweigung, die hinunter zum Fähranleger führt, treffen wir auf Boathang (25), die als Lehrerin arbeitet und unter anderem Englisch unterrichtet. Sie löst unsere Fragen in Bezug auf die Fährabfahrtszeiten und ob wir die schweren Knollen, die wir unterwegs aufgelesen haben und für wahre Delikatessen halten, wirklich essen können. Die Knollen wandern an Ort und Stelle in die Tonne! Sie lacht, zuckt die Achseln und winkt uns mit offenherzigen Augen zu sich nach Hause. Sie ist eine quirlige Frau und Mutter, schnell entsteht beiderseitiges Vertrauen und plötzlich sind wir ihre Gäste für eine Nacht. Kartoffeln und Knobi sind uns geblieben, gemeinsam brutzeln wir in der Küche auf offenem Feuer im Wok und essen gemeinsam zu Abend mit laotischem Whiskey zum Nachtisch. Die noch junge Familie wohnt mit den Großeltern, Boathang‘s Mutter und Vater zusammen unter einem Dach, ihre Geschwister wohnen in der Hauptstadt Vientiane und sind mit dem Studium beschäftigt. Nach dem Worldfight im Taiboxing, den Baothang‘s Mann Ole mit Spannung erwartet hat, gehen wir zu Bett. Es ist so faszinierend und etwas ganz Besonderes Gast sein zu dürfen und einzutauchen in die Kultur von Freunden.
Es ist gerade am Dämmern, da ist Boathang bereits das Frühstück am richten. Anschließend geht die Familie zusammen zur Morgenzeremonie des buddhistischen Tempels, um gemeinsam mit den Bewohnern der umliegenden Straßen, den Mönchen aus ihren Krügen zu spenden. Als sie zurückkommen serviert sie auf einem riesigen Tablett laotische Spezialitäten: Kürbissuppe in Kokosnussmilch, Algenpaste aus dem Mekong, Markklößchensuppe, Hühnchen, Spiegelei, scharfe Chillisauce und Gemüse. Dazu gibt es Klebereis, den sie am frühen Morgen im Bambuskorb unter Dampf gegart hatte. Wir sind zu tiefst gerührt, mehrmals und eindringlich wiederholt Boathang das wir in ein, zwei aber spätestens drei Jahren wiederkommen sollen. Mit ehrlicher Liebe drücken wir sie und ihren kleinen Toto im Tragetuch und wünschen uns, dass es wahr wird. Am Ticketschalter, der aus einer mobilen Garnitur Stuhl und Tischchen, im Sand steht, erhalten wir am Ufer unsere Fahrkarten für die Weiterreise nach Luang Prabang.
Pünktlich um acht, es ist so weit, ein letztes Mal drücken und bedanken wir uns bei Boathang, dann steigen wir mit Rad und Sack über eine Holzblanke an Bord.
Der zwanzig Meter lange und circa zwei Meter schmale, überdachte Kahn, dreht sich in die Strömung, der Motor setzt ein und die Bugwelle klettert an den Flanken empor. Es herrscht gute Stimmung auf den Holzbänken, die entlang der Bootswände angebracht sind. In der Mitte stehen Waren wie Reis, Gemüse, Bananen und andere Einkäufe der Mitreisenden. Ganz vorne sitzen auf einer Plattform ältere Damen im Schneidersitz auf einem Teppich, ganz hinten beim lauten Schiffsmotor sitzen wir. Ab und zu hält die Fähre an Sandbänken oder provisorischen Anlegern. Die Aus- und Zusteigenden werden meist erwartet, wie bspw. Schüler, die über den Fluss zur Schule fahren. Speedboote, kleine Flitzer, mit Platz für drei bis max. sechs Personen, rauschen an uns vorbei und die ersten Touristenboote mit bequemen Sesseln werden gesichtet. Ein Zeichen, dass es nicht mehr allzu weit sein kann.
11:00 Uhr und drei Radreisende stehen an der Promenade zu Luang Prabang und staunen über massiven Autoverkehr, bunte Tuktuk’s und die nicht enden wollende Zahl an Gästehäusern. Alles was es vorher nicht gab, gibt es hier und was es gab, findet sich nur noch selten.
Nach den Eindrücken der Mitantragsstellerin im vietnamesischen Konsulat, in dem auch wir unser Visum beantragen und dem Feeling im Bambooresort, in dem Bart und Monika als Freiwillige gegen Kost und Logie „Sunset Boat Tour’s“ anpreisen und bewerben, herrscht stille Einigkeit über eine Phase der Akklimatisierung vor Ort. Um den Prozess zu beschleunigen, kontaktieren wir Tao, den Radlerfreund von Hui, dem Radladenbesitzer aus Kunming, ob er sich vorstellen kann, uns für maximal drei Nächte aufzunehmen, wobei uns die Option einer Dusche und ein Platz zum Zelten völlig ausreichen würden. Über „Weechat“ (das chinesische What’s App) wechseln wir kurz die Eckpunkte, die Sache geht klar! Er wird uns am kommenden Vormittag abholen. Hui, was ein Glück! -Dank sei Hui und Tao!
Der Nachmittag geht dahin mit Equipmentpflege und dem beziehen des Nachtlagers, bevor gemeinsam der Nachtbazar und das städtische Flair mit Ronan beschnuppert wird. Als die polnischen Radreisenden, die wir im iranischen Maschad das letzte Mal vor der turkmenischen Querung, gedrückt hatten, die Treppe vom steilen Botsanleger „Sunsettours“ hinaufsteigen, sind sie ganz baff! Beide strahlen im Licht der Laternen über beide Wangen, beim Abendessen schmerzen nach den vielen Geschichten, die Lach- und Bauchmuskeln, bei so viel Zeit die zwischen all der Strecke liegt. Die Geschichte von Damian einem polnischen Radfahrer, den wir einst an der usbekischen Botschaft in Istanbul mit seinem älteren Mitfahrer getroffen hatten, den Bart und Monika durch Zufall im laotischen Hinterland im Buschwerk laut rufend aufspürten, wird von Beiden so lebhaft beschrieben, das wir juchzend den Tisch vor uns mit Lachtränen fluten und uns nicht mehr halten können. Zu fünft radeln wir zurück ins Resort und planen für morgen: Pfannenkuchenfrühstück mit Obstsalat, während Bananashake und Kaffee den Abend ausklingen lassen und nach und nach jeder/jede zu Bett geht.
Laotisch stehen Leonie und ich um 06:15 Uhr auf dem Markt! Zum ersten Mal rechtzeitig! Die regionalen Händlerinnen sitzen mit Stirnlampe, Geldschürze und einer handvoll Plastiktüten vor ihren Waren, die mal mehr, mal weniger gut gehandelt den Besitzer wechseln. Ein munteres Treiben, verwinkelte Gänge, lachende Blicke bei unseren Versuchen Mango oder Ananas zu handeln, wenn gleich neben uns, Frauen riesige Tüten mit Obst und Gemüse zu den Mopeds tragen und maximal beladen vom Hof manövrieren. Wir sind am Üben! Der Anfang ist bereits gemacht. Mit allen Zutaten und im Bananenblatt eingewickeltem Klebereis mit Bananenscheiben, Zucker und Kokosnussraspeln, die auf den Verzehr warten, kehren wir zurück. Besonderes Highlight ist das 1kg schwere Schokocremeglas von Monika, das nun doch vor Weihnachten auf dampfenden Eierkuchen zur Anwendung kommt. Kuchen für Kuchen geht von der Pfanne und als es dem Ende zugeht, steht für Bart und Monika in Zukunft ebenfalls Pfannkuchen auf dem Speiseplan.
Mit perfektem Timing verabschieden wir uns von Ronan, dem wir eine Reise voller neuer, guter Erfahrungen wünschen. Dann satteln wir auf und folgen Tao und seinem Motoscooterfahrer in die Stadt zu einem Verwandten, der uns in seinem Gästehaus aufnehmen wird. Angekommen, stellt er uns seinem Neffen vor, der geschätzte zweiundzwanzig ist und mehr als Hobby ein günstiges Hostel unterhält. Wir sind überglücklich an einem Ort zu sein, der einfach und zweckmäßig ist! Mehr ein Ort für Langzeiturlauber, nicht für Familien die hier 12 Tage ihren Jahresurlaub genießen wollen, was bei der Besichtigung der Bausubstanz und dem Inventar schnell offensichtlich wird.
Auf dem Balkon der den Blick über den Innenhof frei gibt, sitzt Gerd. Er sitzt dort nicht einfach auf zwei ineinander gestapelten Stühlen um zu sitzen, vor ihm steht ein Kunststofftisch vollgepackt und zersprengt mit Vielerlei und Allerlei Kleinstteilen, die mehr den Eindruck erwecken, der Gute sei etwas zerstreut und sammele mal hier mal dort, um dann den nächsten Schluck aus der Bierflasche zu nehmen, die ohne System mit der Kaffeetasse, dem Aschenbecher und der Zigarettenschachtel im vermeintlichen Chaos zu finden sind. Auf dem Boden in greifbarer Nähe steht ein billiger Werkzeugkoffer, so wie man ihn im Discounter finden würde. Doch der gekrümmte, etwas zerzauste, so wie man mit Haaren die länger als kurz sind, zerzaust sein kann, weißgrau stoppelbartige Mann, ist so vertieft und konzentriert auf das kleine Stück etwas, welches er unablässig über eine Schleifscheibe zieht, dass es eine sinnigere Erklärung für den ersten Eindruck geben muss. Einander beobachtend, ohne das ein Gespräch zustande kommt, kann ich nach ein paar Minuten den Versuch wagen, das Schweigen zu brechen.
„Ob die Ringe, die halbfertig auf dem Balkongeländer liegen, Auftragsarbeiten sind oder der eigenen Beschäftigung dienen“, frage ich. „Das werden zunächst einmal Ausstellungsstücke“, lässt er sich nicht ablenken. “ Zum Präsentieren im eigenen Laden?“, hacke ich nach, „Naja, erst einmal für die Studenten“, vernehme ich knapp. „Dann unterrichtest du Design an einer Universität?“, „Nee Universität kann man das nicht nennen, ich bin ja nur Goldschmied.“ „Wo unterrichtest du, dass du hier in Laos auf dem Balkon sitzt?“, „Ist das ein Gespräch?“, frage ich mich innerlich. „Nicht weit von hier, in Kunming“. Verrückt, Antworten mit denen ich einfach nicht rechne, die der gute Mann aber auch nicht bereit ist aus freien Stücken zu erläutern. „Erhält man denn Material, Steine und Werkzeug in China?“ Wieder führt die Frage zu keiner Gesprächserweiterung, „Ne, das muss man schon vor Ort kaufen, in China auf alle Fälle nicht.“ Ein Hirnfunke lässt mich an Idar-Oberstein denke, also frage ich: „und wann warst du das letzte Mal in Idar-Oberstein?“ Die Frage öffnet die Tür zur gepflegten Unterhaltung. Die Augen des Mannes öffnen sich zum ersten Mal in meine Richtung, in ihnen liegt interessierte Überraschung, mit solch einer Frage hatte er nicht gerechnet. Gerd ist leidenschaftlicher Goldschmied. Mit der Liebe zu klassischer Musik, hatte er bereits Schmuck- und Juweliergeschäfte in Dali, Kunming und an der Promenade zu Luang Prabang, direkt am Mekongufer, bevor er sich diesen Sommer, auf Grund von Bauarbeiten zum Umziehen gezwungen sah und hier auf dem Balkon seinen Platz fand. Auf Grund des chinesischen Umfelds und seiner akzentfreien Sprachfähigkeit in Mandarin, kann er sich mit der Lokalität arrangieren. Einzig der ihm ausgehende kolumbianische Kaffee und die Verlängerung seines Arbeitsvisums zwingen ihn, in absehbarer Zeit, vom Balkon in die Provinz Yunnan zurück. Bohnengetränk und Bier, scheinen ihm in den vier Tagen, die wir letztlich im Hostel bleiben, als Grundversorgung auszureichen. Wenn er bei Sonnenaufgang am Werktisch Platz nimmt und zur Dämmerung sein Tagwerk beendet. Da sind die Pfannkuchen, die unser Basisfrühstück sind, eine willkommene Abwechslung und Ergänzung zum Kaffee. Gerne bieten wir die nach Bananen duftenden Kuchen dem fleißigen Handwerker an, wenn er so hochelegant Leonie beim Herd danach fragt. „Wäre es vermessen, wenn ich fragen würde, mir einen zweiten der vorzüglich schmeckenden Pfannkuchen zu nehmen?“ wiederholt Leonie schmunzelnd, als sie sich zu uns an den Tisch setzt, an dem auch Bart und Monika sitzen.
Die gute Stimmung findet an diesem Tag zusammen mit Gerd und Tao, der uns in sein Restaurant zum Essen eingeladen hat ihren Höhepunkt. Taos’s Frau bereitet extrem schmackhafte Erdnüsse, Spinatkohlsuppe mit schwarzen Hühnerkrallen und anderen knorpligen Stücken Fleisch, dazu heiß anfrittierten Schweinsohren die in Sojachillisauce gedippt werden und Reis. Perfekt! Alles nachgeholt, für das wir in China sonst interessiert einen Bogen geschlagen hatten. Ununterbrochen, wird Loabeer gereicht, was zügig getrunken und von Gerd, der voll in seinem Element ist, links und rechts vom Tischnachbarn geleert wird. Wir geben Acht, dass unser Sprachlevel koordinierbar bleibt, um uns später in aller Freundschaft bei Tao und seiner hübschen Frau herzlich zu bedanken.
Die Tage fliegen dahin, seid Chengdu liegen mit den tibetischen Provinzen und dem nördlichen Laos etwa 75.000 bergauf Höhenmeter hinter uns. Auch ein Grund, warum wir an einem der Abende, mit Sunset-Boattours über den Mekong tuckern und uns von Bart zwei starke Mochito bringen lassen. Der Sonnenuntergang findet zwar hinter dicken Wolken statt, die sich bereits bei der Rückfahrt kräftig entleeren, doch für uns ist es ohnehin spannender die gestylten und nach einer Überdosis Parfüm riechenden Päärchen aus „westlicher Welt“ zu beobachten. Auch Celine, Origan und die zwei französischen Jungs erreichen im gleichen Regenschutt mit einem der Slowboats von Pakbeng das rettende und wie sie uns am Tag drauf erzählen, überflutete Ufer. Die Wortdichte ist groß, wieder ist so viel seit Puer geschehen, doch Celine und Origan ist anzusehen, dass sie Ruhe und Zeit für sich brauchen, um erst einmal zu gesunden und zu Kräften zu kommen.
Der Plan für Weihnachten wird nochmals besprochen und der Organic Farm in Vang Vieng zugesichert, dann geht es ohne Origan, auf den Nachtbazar und zum bereits ausgiebig getesteten Buffet.
Am letzten Abend verabschieden wir uns von Tao und seiner Frau, die uns abermals zum Abendessen einladen und wünschen ihnen viel Erfolg, mehr Zeit und gutes Gelingen mit der Umgestaltung ihres Geschäftes in ein Bambusrestaurant, für das Tao die letzten Wochen meist mit dem Fahrrad in den Wald zum Bambus schlagen gefahren war. Zur Mittagszeit des nächsten Tages schaffen wir es auf die Räder, nachdem plötzlich wichtige Reparaturen und Wartungsarbeiten, die ich natürlich vorher hätte erledigen können, notdürftig unter genervten Blicken von Leonie ihre provisorische Vollendung finden. Wir sagen vielen Dank, all den HobbyHostel involvierten und hören wie sich in unserem Rücken der Lautstärkenpegel zwischen laoticher und klassischer Musik, wie üblich um diese Stunde, gegenseitig zu überschallen versuchen, wobei stets Gerd mit seinem kleinen Aktivlautsprecher gegenüber der kraftvollen laotischen Anlage, die drei Meter entfernt in der Rezeption steht, den Kürzeren zieht. Dann ist es Zeit auch für ihn den Platz zu verlassen, um eine Flasche Bier oder den Mittagssnack um die Ecke zu besorgen, um nach seiner Rückkehr erneut die 7te Sonate von Hendel rauf und runter zu hören.