Es trennen uns knappe 100km von unsere nächsten Bleibe, die uns meine Schwester Nina, die während ihres Praxissemesters in Belgrad zu Hause war, Tage zuvor per Mailkontakt organisiert hat. Am Abend zuvor wurden wir gewarnt: Actually the Velorout to Begrad doesn’t exist, trust me, you have to be carefull on the streets! Wir beherzigen die Info und finden uns später auf steilen Urwaldschotterpisten wieder, die uns den hautkontaktnahen Verkehr erspart aber ein Vorankommen deutlich bremst. Eine kaum befahrene Landstraße die ca. 300 Höhenmeter über unsere Piste liegt, wird schweisgebadet, quer zu allen Höhenlinien, teils schiebend, teils fluchend erklettert, diese bringt uns dann ins Rollen, sodass wir gegen Abend den äußeren Rand Belgrads erreichen. Bis dahin gibt es noch keine Rückmeldung aus der WG Ecke Krajiska /Geteovo im Stadtteil Zemun. Auf der letzten 6 km langen Zubringerstraße bekommen wir dann nochmals den Feierabendverkehr zu spüren, eine nur durch kurze Ampelphasen abreißende Autoschlange gemischt mit 25% LKW’s drängt sich bei ebenso stetigem Gegenverkehr an uns vorbei. Konzentration nach 90km ist gefragt und wichtig, mit freundlichem Winken und interessiert nach links und rechts Schauen ist jetzt nichts mehr! Unsere Karte lässt uns nach rechts abbiegen, der Verkehr ebbt ab, die Straße breit, dann immer schmaler zulaufend abwärts in eine Senke links und rechts Berge aus Müll und aufsteigender Qualm, wir landen in einer kleinen Siedlung aus blechernen Behausungen, streunenden Hunden. Musik scheppert aus einer Ecke in der ca. 15 Kinder und Jugendliche Fußball spielen. Irritiert stoppen wir, tauschen Blicke aus: Umdrehen? Weiterfahren? Nach dem Weg fragen? Kann man in den Zügen unserer Gesichter lesen =) Wir fragen nach dem Weg in Mitten einer Masse von Interessierten und wuselnden Kids, spricht einer der Älteren fließend englisch. Schnell wird gescherzt, trotzdem sind wir innerlich leicht nervös, wir werden dann weiter geradeaus geschickt, Richtung Rauchschwaden, irgendwo in der Richtung wird es schon sein! Wir finden das Eckhaus mit kleinem Straßenlädchen schließlich in direkter Linie 1km später, ohne uns sicher zu sein, ob wir hier erwartet werden und hinter welcher Tür wir die WG des sechs stöckigen Plattenbaus mit geschätzten fünfundvierzig Wohnung finden. Leonie bleibt leicht nervös, wir erinnern uns an serbische Absprachen aus der Vergangenheit, als wir meine Schwester in Hajdukovo am LudasSee, nahe der ungarischen Grenze 2010 besuchten und sie uns in festem Glauben einen Tag später erwartet hatte. Wir in festem Glauben, das sie uns abholt einen halben Tag in Subotica am Busbahnhof warteten. (Andere Geschichte =))
Die Verkäuferin in unserem Alter, aus dem Reformhaus, hilft uns dann parallel zum laufenden Geschäft. Sie stellt uns ihr WiFi via Hotspot zur Verfügung, es dauert nicht lange und aus Berlin erreichen uns die letzten relevanten Infos =) Zweiter Stock, rechte Tür, auf der Tür ein Sticker „Borders are Lines, drawn by rassists!“ Einmal kurz zweimal lang klingeln! … Scherz =) Wir werden herzlich empfangen, im Laden kaufen wir zum Dank reichlich Schoko und schleppen unser Equipment in die WG von: Dusica, Snezana, Ivana, Sara und Milos, zu der für 3 Tage, auch Leonie und Philipp gehören! Fast vergessen aber immer präsent: Ahmed und Hamed, zwei gerettete Straßenkatzen, die das WG Leben auf ihre Art bereichern! Die Atmosphäre ist familiär wir erzählen von Nina und Amin bestellen Grüße, schnell entstehen reichlich Pfannkuchen, Beinhaare werden mit viel Feingefühl entfernt, später am Abend wird zusammen mit Nina geskypt. Am nächsten Tag wartet Belgrad auf uns, eine gemütliche Couch lässt uns bis in den frühen Vormittag schlafen.
In Belgrad selbst fährt man mit dem Bus. Der kommt ohne Fahrplan in Zeitabständen zw. 3-14 Minuten, das hängt von der Verkehrslage ab. In der Regel fährt meist jeder Belgrader schwarz. Manche Busse füllen sich auf dem Weg in die Innenstadt so üppig mit Menschen, dass man befürchtet, dass die alten Schweißnähte jeder Zeit reisen könnten. In der 2 Millionenstadt verteilen sich dann die Menschen. Wir halten es wie immer, suchen uns zunächst einen Punkt von dem man das Neue überblicken und einordnen kann, um danach mit etwas Struktur, den Überblick und die Orientierung zu behalten. Die weiße Stadt, liegt am südlichsten Rand der serbischen Tiefebene Vojvodina an der Mündung der Save in die Donau. Wir spüren in den Straßen und Gassen die verschiedensten Einflüsse von Kulturen aller Himmelsrichtungen, sei es Architektur traditioneller Bauten, kulinarische Bildtafeln, die persönlichen Auslegungen von Verkehrsregeln und die vielen unterschiedlichen Sprachen, Gesten und Mimiken der Menschen. Beeindruckend eine Stadt ohne Radwege, ausgenommen dem Eurovelo6 entlang der beiden Flussufer. Müde vom vielen Lärm und dem interessanten Treiben der Stadt fährt uns der Bus nach Hause. Abends gibt es selfmade Pizza und am Tag drauf eine ruhige Runde im Stadtteil Zemun, das uns später deutlich angenehmer in Erinnerung bleibt, als die Stadt selbst. Am 1.Mai verlassen wir Belgrad und eine tolle WG, die der Zukunft und neuen Aufgaben offen, verständnisvoll und kritisch gegenübersteht. Ivana werden wir in Sarajevo wiedersehen. Alle sind bei uns willkommen!
Wir radeln gen Südwesten und verlassen nach 5 Wochen das Donautal flussaufwärts der Save. Als die Stadt hinter den Rädern liegt steht diese in Rauchschwaden. Klar wie soll es anders sein. In den Parks, Gärten und Balkonen wird fleischig gegrillt und meist mit Brandbeschleuniger gearbeitet.