Dali – Puer (19.11. – 02.12.)

 

Von Leonie

Wir radln nicht mehr allein! Nach der deutsch-französischen Reunion im gemütlichen Hostel in Dali starten wir gemeinsam wieder in den Sattel mit dem Ziel Céline und Origan in ca.10 Tagen in Puer, im Süden zu treffen.

Nach den letzten Abschiedsfotos mit den witzig aufgedrehten Mädels der Rezeption, einem schnellen Supermarkt-und einem weniger schnellen Tankstellenbesuch, wir stehen zunächst etwas ratlos vor der Zapfsäule, bis wir das erst bezahlen, dann Bon scannen und tanken Prinzip bei anderen Tankenden abgeschaut haben, man bemerke es geht uns nur um ½L Sprit für unsere Küche, verlassen wir nach wenigen Metern wieder den Highway und pedalieren entlang der schönen Uferpromenade. Die schöne Berg-See-Kulisse und tolles sommerliches Wetter geben uns etwas das Gefühl am Bodensee Chinas gelandet zu sein. Den einzigen, aber doch prägnanten Unterschied bieten die riesigen Betonbauten und Neubausiedlungen am anderen Ufer. Diese betrachten wir entspannt während der Lunchpause am südlichen Ende des Sees, bevor wir durch das neue Dali Fahrt aufnehmen für den vor uns liegenden Berg. Noch einmal bremsen, u-turn auf dem Highway, dann aber doch das richtige Sträßchen gefunden, dass uns mit nicht unbeachtlicher Steigung zum heutigen Höhepunkt bringt. Von diesem brausen wir über kurvig schöne Straße so weit bergab, bis wir auf einem kleinen Flecken Wiese an einem kleinen See unser Nachtlager aufschlagen, nachdem wir die Räder vom Gepäck erleichtert und steilst den Abhang hinuntergeschoben haben, in Gedanken an Marcos Schulter doch etwas vorsichtiger. Nach einer frischen Dusche, leckerem Essen, Clément und Matthieu brutzeln leckere Baignées in reichlich Fett und kleinen Radreparaturen auf der französischen Seite betrachten wir noch etwas die springenden Fische und gehen zufrieden schlafen.

Am nächsten Morgen nehmen wir, aus mir nicht so ganz ersichtlichem Grund nicht die kleine Nebenstraße, sondern biegen rechts ab und kurven im Zickzack durch Felder und Dörfer. Plötzlich hält Clément mitten in einem kleinen Dorf an, was ist los? Doch da haben wir anderen es auch entdeckt: mitten in Dorf am Wegesrand steht eine riesige Marihuanapflanze in ihrer ganzen Pracht, bei näherer Betrachtung der Umgebung finden wir so gut wie in jedem Vorgarten ein solches Exemplar! Matthieu ist nicht mehr zu halten und startet das Ernten einer nicht unbeachtlichen Menge, die danach gut verzurrt im Stoffbeutel auf den Radtaschen in der Sonne trocknet, während unsere Straße in einen staubigen Weg übergeht, zu einem Trampelpfädchen wird und dann vollends verschwindet. Wir finden uns zwischen Sträuchern auf einem Wall wieder, umkehren steht außer Frage, also werden die Räder die dachsteile Böschung hinuntergebremst, über den rumpeligen Feldtrennungsstreifen geschoben und über einen Steg balanciert bevor wir wieder fahrbaren Untergrund unter den Rädern spüren.

Die nächsten Tage ziehen auf Nebenstraßen durch kleine Dörfer, Terrassenfelder und zunehmenden Temperaturen dahin. Die beiden Franzosen radelten bisher in einem ganz anderen Rhythmus, als wir es taten: französischer Lebensstil. 🙂 Spätes Aufstehen, in der Morgensonne Zelt und Schlafsäcke trocknen, zur Mittagszeit den Sattel besteigen und erst in der Abenddämmerung ankommen. Wir hingegen radeln lieber am Morgen und suchen uns schon am Nachmittag einen gemütlichen Platz um den Tag ausklingen zu lassen und so auch das Zelt zu trocknen. Da muss, um gemeinsam weiterfahren zu können, ein geeigneter Mittelweg her! Die Natur kommt uns zur Hilfe, da wir meist bis in den späten Vormittag in dicken Nebel gehüllt sind trocknet kein Zelt und auch die Daunenschlafsäcke der Jungs entfeuchten sich nicht. Um den doch kurzen Tag zu nutzen sitzen wir meist gegen 10 auf dem Rad und stoppen zur Trocknung nicht zu spät!

Matthieu, passionierter und professioneller Dingefinder, immer den Blick im rechten Straßengraben und stets zum Bremsen bereit, wenn er wieder einmal Sandalen, Kleidung, Messer, Klebeband oder sonstige nützliche Dinge erblickt! „Very cool, very cool, better than cool, look what I’ve found!“ – Badges einer alten Sicherheitspolizeijacke! 🙂

Wir haben Zeit! Bazarbesuche in den durchfahrenden Städten sind jedes Mal ein Highlight. Bunt, laut, geruchs- und geschmacksintensiv. Bei jedem Stopp sind die Taschen voller als geplant und der Bauch gleich mit. Immer wieder finden wir neues, was natürlich getestet werden will (ein riesiger Eimer voll, für mich eindeutig Erdnussbutter lacht uns an, aber vielleicht ist es doch etwas anderes? Dürfen wir probieren? Der Finger taucht ein in die Erdnussbutterkonsistenz, dann in den Mund und….urgh salzig, bitter, wie cremige Sojasauce! Schade!) und altbewährtes, was auch nicht fehlen darf! So spannend wie für uns der Bazar sind für die übrigen Bazarbesucher wir. Sobald gleich 4 vollgepackte Räder anhalten und europäische Radler absteigen sind wir auch schon umringt von neugierig dreinschauenden Chinesen. Bis zu den ersten Fragen dauert es nicht lange, wir antworten selbstsicher „déguó“ die beiden Jungs „fàguó“, ob das nun zur Frage passt kann man meist an der Reaktion der Gegenüber herausfinden. Material wird bestaunt und sich dann nochmal abgesichert ob wir wirklich von „déguó“ hier her mit dem Rad gefahren sind, heftiges Nicken unsererseits, dann meist ein Lachen, Daumen hoch und „hao hao“!

Die Tage fliegen so dahin. Es geht auf und ab und auf und ab, Bäume, Sträucher und Gewächse werden immer exotischer, mehr und mehr Bananenbäume, Bambus, Papaya, auf den Feldern grünt es frisch, junge Tomaten – und Paprikapflanzen, jede Menge Gemüse, dass wir nicht kennen, es wird wärmer, feuchter, tropischer.

Für uns wird es schwieriger Zeltplätze beim ersten Versuch zu finden, jeder Flecken freies Land wird zum Gemüseanbau genutzt. Zur Nachmittagszeit fahren alle vier hochkonzentriert die umliegende Landschaft betrachtend, wächst da was oder ist das Unkraut? Nach einigen nicht so einfachen Nächtigungsplätzen, vorausgegangen sind mehrfachste Anläufe und erfolglose Erkundungen verschiedenster Areas, beschließen wir, dass der Schulhof in einem kleinen Dorf doch ganz einladend aussieht. Nachdem die beobachtenden Dorfbewohner nichts dagegen zu haben scheinen und die am Abend auftauchende Polizeikontrolle nur interessiert fragt woher und wohin steht einer angenehmen Nacht nichts mehr im Wege. Die wäre es wohl auch geworden, wenn da nicht eine verstimmte Darmflora mit gehäuftem eiligem Toilettengang bei Philipp dazwischengekommen wäre. Hastiges Schlafsack auf, Zeltreisverschluss auf und schnell die 200m zur Toilette eilend.

Am darauffolgenden Tag sind die Energiereserven deutlich geringer als noch die Tage zuvor, trotzdem müssen wir in den nächsten 2 Tagen noch gute 100km Fahrrad fahren, damit wir Puer erreichen, wo wir uns zumindest einen Ruhetag versprochen haben. Zum ersten Mal während der gesamten Reise verbringt Philipp mehrere Stunden hinter und nicht vor mir auf dem Rad, kämpft sichtlich mit den 2 Pässen, die nicht steil aber stetig über ca. 15km bergauf führen. Die Essensaufnahme beschränkt sich auf ein Minimum und ein Teil des Gepäcks nehmen die beiden Franzosen auf die Räder, herzlichen Dank!

So gelangen wir nach 2 Tagen, der letzte mit reichlich Feuchtigkeit von oben, nach Puer. Jetzt nur noch ein Hotel finden! Dies sieht zunächst nicht so kompliziert aus, sobald wir jedoch unsere nicht chinesischen Pässe zücken werden wir ein ums andere Mal abgewiesen. Wir wissen Bescheid: Sie haben keine Lizenz um Ausländer zu beherbergen! Was ein Glück treffen wir auf eine nette chinesische Englischlehrerin, die mit uns zu verschiedensten Adressen wandert, telefoniert, Kontakte spielen lässt und uns schließlich zur optimalen Unterkunft begleitet, vielen Dank! Nach 2 1/2 Stunden Hotelsuche sind wir mehr als zufrieden, als wir unsere fast schon luxuriösen Zimmer betreten, warme Duschen genießen, große Betten auf uns warten und Frühstück inklusive ist und das alles im Rahmen unseres Budgets liegt. Toll!

Wir verbringen einen schönen ersten Tag, finden nach ebenfalls längerer Suche, eine kleine Wäscherei, erobern den Bazar, Philipp geht es etwas besser und am Nachmittag erwarten wir Céline und Origan, schön die beiden wiederzusehen. Doch viel Zeit zum Austauschen bleibt nicht. Die beiden kommen nicht allein. Im Schlepptau eine ganze Bande Chinesen des örtlich Fahrradclubs, diesem Treffen geht eine lange Geschichte voraus und hat zur Folge, dass Céline und Origan nun chinesische Radfreunde in verschiedensten Städten Chinas haben, Vorträge gehalten und von Hotel übers Restaurant überall eingeladen wurden. Auch an diesem Abend werden die beiden eingeladen und wir 4 anderen gleich mit. Im dicken Auto geht es durch die Stadt, leckeres thailändisches Essen, Obst und Fotovortrag stehen auf dem Programm, so bekommen wir einen kleinen Einblick in den China Aufenthalt des belgisch-französischen Paares, verrückt anders!

Anders ist auch die kommende Nacht, zumindest für Philipp und mich! Ein knallharter Rückschlag der nicht intakten Darmflora, ständiges auf Toilette rennen, damit ist klar, wir brechen nicht mit den andern auf! Einwurf von Philipp: Das war viel DRAMATISCHER! Ich habe die Schüssel besprenkelt und glücklicherweise nur die Unterhose bis an die äußeren Ränder in der Nacht eingeschissen! Weitere Erläuterungen braucht es hier wohl nicht. 🙂 Medikamentös gut versorgt, von Globulis bis Antibiotikakeule liegt alles bereit, von den deutlich besser ausgestatteten Mitreisenden,  hütet Philipp noch 2 weitere Tage mehr oder weniger dauerhaft das Bett, während ich alleine durch die Stadt schlendere.

  1 comment for “Dali – Puer (19.11. – 02.12.)

  1. Ute Hilgert
    5. Januar 2016 at 20:01

    Ihr Lieben!
    Seit heute sind wir von unserem gemütlichen Steiermark Urlaub zurück und gleich musste ich eure letzten 3 Berichte lesen. Es ist sooooo spannend und toll geschrieben! Eine Freude zu lesen und zu sehen. Weihnachten haben wir vielköpfig auf dem Hunsrück verbracht und die Jahreswende dann bei den netten Ösis. Euch wünsche ich ein buntes und viele Überraschungen bietendes neues Jahr in guter Gesundheit und heil an Leib und Gerät! Freue mich auf weitere Berichte und Bilder und…. der Film war auch grandios!!!
    Herzliche Grüße von Ute und Willi

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