Erzurum – Bazargan (07.07.-11.07.)

Mittags raus aus Erzurum mit den iranischen Visa im Pass und mit schwindender Hoffnung, dass unser Päckchen aus dem Hunsrück uns in Agri einholen wird. Anfangs sah es so gut aus, 5 Tage von zu Hause bis an die türkische Grenze zur Übergabe, seit dem hängt es dort und kommt keinen Meter weiter. Infos seitens der türkischen Post sind wage und pendeln sich zwischen 7 bis 14 Tagen ein. Mit ein paar Funken Hoffnung nächtigen wir auf brachliegendem Acker, während links und rechts von uns dicke Gewitterwolken fantastische Bilder zaubern. Wie frisch es doch außerhalb von besiedeltem Gebiet ist.

Morgens geht es vom Hügel abseits der Straße zurück auf die Piste. Meine Erinnerung an diesen Tag schwebt in der Hoffnung, dass uns jeden Moment das Postauto mit heiß begehrtem Reiseequipment passiert und unser geschmiedeter Plan aufgeht! Die nervöse Spannung begleitet zumindest mich und so muss Leonie die Einzelheiten des Tages aus ihrer Sicht zwei Wochen später in Erinnerung rufen! Der Tag beginnt wolkenbedeckt und angenehm, noch vormittags ändert sich der Charakter in trockene Hitze. Am Boden der Wasserflaschen schwanken nur noch zwei, drei Schlücke warme Plastikbrühe, als wir hinter einem Gebirgskettendurchbruch ein kleines Dorf mit Moschee inklusive Brunnen erreichen, rät uns der Einheimische vom Verzehr des Wassers ab. In 10km sei das Wasser wieder genießbar, ohne zu erwähnen, dass es bergauf geht. Wir sind so blöd, radeln in der Hitze weiter und müssen nach 2km im Schatten pausieren, da Hunger und Körperkühlung nach Schatten zum Picknicken rufen. Einige Zeit später geht es im Tal parallel zum Bachlauf, mit schmackhaft brauner Farbe weiter. Den Brunnen nach gefühlter Ewigkeit übersehe ich dann, Leonie nicht, sie tankt auf und ich vom Durst getrieben spurte weiter Richtung nächstem Gipfel, an dem 4 iranische Trucker nahe einer Quelle parken und interessiert Kontakt aufnehmen. 15 Minuten später parkt eine verärgerte Leonie ihr Rad neben kühlen vollen PET-Flaschen, gleichzeitig besorgt, ob ich nicht getroffen von Wurfgeschossen neben der Straße liege. Eine Angst die seit Erzurum nach der Erzählung eines Radlers aus Basel immer unterschwellig präsent ist. Einzig den Abschnitt bis zur iranischen Grenze betrifft, uns aber nie treffen wird. Auf dem Altitude der Straße fängt es an zu regnen, kühles Nass tränkt uns und fröstelnd aber glücklich geht es zu unserem im Tal liegenden Spot, den wir aus der Ferne für gut befunden hatten. Auf einer gemähten Wiese, versteckt zwischen Hügeln, eine gute Wahl.

Mittags am nächsten Tag, kurz vor Agri überholt uns tatsächlich ein Posttransporter und lässt unsere Herzen höher schlagen! Als wir in der Bank, die wir als Adresse angegeben hatten, herzlich unterstützt werden, jedoch kein Päckchen entgegennehmen können, wage ich den letzten Versuch in der Postzentrale im Zentrum von Agri. Doch nach 45min Googletranslate muss ich einsehen, dass wir ohne Päckchen weiterfahren. Welch ein Schmerz! In der Hitze geht es in den Nachmittag und an einer Tanke ca. 20km hinter Agri versacken wir bei Chai und lassen uns von den kurdischen Jungs mental wieder aufbauen. Im Schatten des Vordachs, sitzen Berat, Fesih, Yusuf, Beq, Seyat und Turat geduldig wartend auf den Sonnenuntergang. Wir erfragen die Basics in Kurdisch, versuchen auf Basisenglisch unsere Reise zu erläutern und werden eingeladen unser Zelt hinter der Tanke aufzustellen. Gesagt getan. Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, kommen aber nicht früh los, da zufällig ein kurdischer Holländer auf exzellentem Englisch die ganze Story nochmals im Auftrag des Tankwarts erfragt und gleichzeitig übersetzt.

Auf der Straße schmelzen wir dahin. Erschlafft und angestrengt zu gleich balanciert die Konzentration das Reiserad, bis sich plötzlich der Blick auf Türkeis höchsten Berg öffnet. Der Ararat ebenfalls in der Sommerhitze dahinschmelzend ragt er mit seiner weißen Mütze bei 5137m über alle anderen Berge hinweg. Ein letztes Mal versteckt er sich beim Anstieg unseres letzten türkischen Passes hinter dessen Kam, dann picknicken wir zu dritt in 50km Entfernung unter dem schnell wandernden Schatten eines Sendemasts. Fünfmal ziehen wir die Plane auf der wir sitzen dem Schatten hinterher, dann brausen wir staunend voller Respekt dem naturellen Monument entgegen und erreichen gegen Nachmittag das Hotel Erzurum in Dogubayazit, in dem wir günstig aber nicht geruchsneutral bei quälender Hitze mit aufgelegten nasskalten Handtüchern irgendwann einschlafen. Was zwischen Ankunft und Schlaf geschah: Nachdem alles verräumt im ca. 7m² Zimmer seinen Platz gefunden hatte, folgen wir der Fußgängerzone Richtung Ishak Pasa Palace, die im Süden die Straße hoch auf den Berg verbindet. Entlang der Straße fragen wir im Büro Murat-Tours, nach der Bushaltestelle zum Gipfel, werden prompt zum Chai eingeladen und sollen einfach die Straße im Blick behalten. Erfahrungen werden ausgetauscht Hunsrück-Türkei, Kathmandu-Dogubayazit auf dem Rad, Everest Impressionen, Land und Leute um den Fünftausender. Als wir auf der Straße stehen ist es kurz vor Sonnenuntergang und nach paar Daumenhoch- Versuchen, bringt uns ein Lieferwagen, Anstelle eines Busses hoch auf den Hügel zum Palast. Oben bleiben uns ein paar Minuten zum Staunen, denn unser Lift talwärts, ein Souvenierverkäufer beläd gerade seinen Lieferwagen mit den letzten Postkartenständern und gibt uns knappe 10min Zeit, um selbst rechtzeitig beim Abendessen zu sitzen. Zurück vor Murats Büro treffen wir ihn wieder, er nimmt uns mit um die nächste Ecke auf einen Platz der vorbereitet für ein kollektives Abendessen in den letzten Zügen besetzt wird. Auch wir werden platziert und finden uns wieder an einem Tisch voller Iraner/innen, die uns in voller Freude willkommen heißen. Als der Muezzin über die Stadt zu hören ist, wird es still auf dem Platz jeder/jede eröffnet sein/ihr Abendessen. Mit dem Gefühl rasant geparkt worden zu sein, gleichzeitig die Fragen von 5 Tischnachbarn zu beantworten, in die Kamera von 3 Cellphones zu lächeln, fangen wir auch beherzt an zu essen. Afiyet olsun! Zwischenzeitlich taucht noch ein junger, aus Südost-China stammender Reisende auf, der in Deutschland studiert hat, und seit über 10 Jahren in Bremen arbeitet. Nach dem Essen trinken wir zusammen Chai, trödeln durch die belebten Gassen, in denen die Menschen ausgelassen feiern und von einer Köstlichkeit zur nächsten übergehen. Vor einem Geschäft, in dem wir für Leonie nach irantauglichen Oberteilen suchen, verlieren wir den etwas ängstlichen, auf Sauberkeit bedachten, mit dem Rucksack reisenden. Draußen treffen wir zum zweiten Mal auf Keivan Soleimany, seiner Passion nach: Leader (iran climbing tours) er läd uns ein, am nächsten Tag nach Mako zu seiner Familie zu kommen. Wir markieren die Adresse auf unserer Karte und unsere Aufregung für den morgigen Landeswechsel steigt zunehmend. Es ist spät! Wir müssen schlafen!

Am Rande des Ararats pedalieren wir in den Morgen, passieren 3 vollständig ausgebrannte LKW’s, zwei noch auf der Straße klutschend. Weit vor der Grenze erreichen wir das Ende der wartenden Truckerschlange, wir fühlen uns erinnert an die erste Nacht in der Türkei, da kommt uns plötzlich ein einzelner Radfahrer entgegen. Zwei Kilometer bevor wir die Türkei verlassen treffen wir den ersten türkischen Fernradreisenden. Soykan ist in Singapur gestartet, hat dort das Rad eines ankommenden Radreisenden gekauft und ist in 6 Monaten zurück in die Heimat geradelt. Wir und vor allem die türkischen Trucker sind bis ins letzte Eck am Staunen. Nach dem Austausch so mancher Erfahrungen, wünschen wir ihm gute Heimreise und rollen das letzte Stück zum Grenzposten, der uns den Ausreisestempel in den Pass drückt. Tesekkürler Türkei, Hoscakal!

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