Quai’la-Khumb – Khorough (08. – 15.09.)

Afghanistan! Während der Fahrradtourismus auf teils asphaltierter, teils Schotterstraße entlang des Flusslaufs auf tadschikischer Seite mit massivem Frachtverkehr rollt und staunt, sind auf der gegenüberliegenden Seite kleinste Wirtschaftswege, Eselspfade und Fußwege die gängige Infrastruktur. Kleine aus Lehmziegeln gebaute Dörfer mit teils bunten Holzfassaden über abgesetzte Ebenen, viel Grün an Stellen an denen Bergbäche das Wasser von weit her über die steilen Hänge bringen, Felder, Weiden, Mäuerchen, keine Elektrizität, eine Handvoll Mopeds und ein Auto pro Dorf.

100% Handarbeit! Die Afghanen sind stets greifbar aber doch so fern! Wie die Tadschiken leben sie auf einem kleinen Streifen zwischen Panj und mächtigen Bergen in felsiger, schottriger, staubig braun-beiger Landschaft in kleinen Oasen. Die Route nach Khorough ist deutlich belebter als die Tage zuvor, es passieren in regelmäßigen Abständen kleine Sammeltaxis, LKWs und hin und wieder Radfahrer aus der Gegenrichtung. Im Schatten neben zwei rastenden Kühen, sitzen Katrin und Christian die beiden sind von zu Hause losgefahren, mit dem Fernziel Singapur. Am Ende des Tages zelten wir zusammen auf einer kleinen Wiese einer Familie, mit dem Paar aus Zürich, Didier und Kyla.

Am nächsten Morgen liegt das schweizer Zelt gesundheitlich am Boden, Blitzinfekt nach gestrigem Fleischsuppensnack. Wir lassen die Regenerierenden zurück und sehen uns erst in Osh zum Abendessen wieder. Mit frisch gefiltertem Wasser (pro Flasche 4min) ist der Abstand zu den leichten Amerikanern erst zum Mittagessen in sichtbarer Nähe. Zeitgleich sprengen die afghanischen Straßenarbeiter die verbindenden Straßenabschnitte in die Felsklippen und meißeln die Feinarbeiten heraus. Es wird heftig gewunken! Was so viel bedeutet wie gleich knallt’s! Die Kurbel rotiert und schneller als erwartet schließt sich die Lücke zum gemeinsamen Lunch. Etwas Schatten macht‘s möglich und danach Mittagsschläfchen. Die Beiden sind unersättlich nach 20min geht’s weiter. Der Abend wird „unerwartet“ unangenehm staubig. Acht Meter entfernt der Straße rollen die schweren chinesischen und tadschikischen Trucks an den Zelten vorbei, die am nächsten Morgen dick gepudert den Dreck elektrisch festhalten.

Ist es der Stau, die anstrengenden Tage oder das Essen der Familie vom gestrigen Abend? Wer weiß das schon. Leonie fühlt sich am Morgen nicht gut, wir radeln bis in den Mittag unter schattenspendende Wahlnussbäume, lunchen die Reste von gestern und müssen Kyla und Didier ziehen lassen. Wir bringen uns nach 1 1/2 Stunden zurück auf die Piste, kommen in erbärmlichem Zustand jedoch keine 10km weit und sind gezwungen hinter einem Dorf zwischen Bäumen, Sträuchern und Terrassenfeldern unser Zelt zu stellen, was die letzten Kräfte saugt. Danach fallen die mit Bakterien oder Viren befallenen Systeme ins Bett! Vorher, zur Sicherheit nochmal PooPoo machen! – Empfiehlt sich! Der Tag drauf ist nicht besser, wir bewegen Zelt, Räder, Equipment und dröhnende Schädel mit großer Mühe 30 Meter in den Schatten und fallen abermals für 8 Stunden in tiefen Schlaf. Stehen ist dermaßen anstrengend, das selbst der Toilettengang zur energetischen Herausforderung wird, von der Geräuschkulisse, die die Konsistenz von sich gibt einmal abgesehen. Kohletabletten werden ausgepackt und konsumiert, denn die Angst wächst, dass unser Toilettenpapier und das Humenhydrosystem ausläuft. Die Anwohner merken, dass es uns nicht gut geht. Auf gebrochenem russisch (brechen mussten wir nicht!) kann ich Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten für eine Gemüsesuppe organisieren, genau das richtige.

Die zweite Nacht bringt den ersten Schub an Erholung, dösend startet der Tag und gegen Vormittag passieren uns Paul und Leiset, die sich für eine Stunde in gesundem Abstand zu uns gesellen. Den Beiden geht es erstklassig, etwas wundern wir uns, wo sie die Südeuropäer gelassen haben. Dann beginnt die Geschichte: Als sich die 10er Gruppe des Morgens auflöste um individuelle Tempen zu radeln, kommen Paul, Leiset, Tiphaine und Marco gemütliche 40km weit. Am zweiten Tag erreichen alle zusammen den Fuß des Passes, sie entschließen an einem etwas tiefer und abseits der Straße gelegenen Platz zu zelten, doch als sie den steinigen, sehr schmalen Pfad hinunterklettern, verliert Marco bepackt mit Radtaschen erst das Gleichgewicht, dann Bodenkontakt um einige Meter später unkontrolliert den Kontakt wieder aufzunehmen. Rumbsss! Die Beiden erzählen von Blut am Kopf, einem kurzfristig bewusstlosen Körper, Hektik, Panik, dem Spot GPS-Tracker und einer kontrolliert agierenden Leiset, die im nächsten Ort einen Transport ins 30km entfernte Militärlazarett organisiert und Paul der Marco’s Haare an der klaffenden Kopfwunde vorsichtig entfernt und versucht zu klammern. Alles nochmal gut gegangen! Die Beiden seien wohl auf und vermutlich auf dem Weg zurück nach Dushanbe. Uns geht es im Vergleich direkt besser! Gleichzeitig denken wir an die Beiden und müssen tief ausatmen – Uffff! Was eine glückliche Katastrophe.

Den Pass haben Paul und Leiset am nächsten Tag in ihrem Rhythmus passiert. Gerne würden wir mit ihnen weiterfahren, doch wir sind erst am Nachmittag fähig unser Zeug zu packen und schließen eine per Anhalter Fahrt nicht aus. Es passt alles zusammen. Als die Räder auf der Straße stehen rumpelt aus dem Dorf ein leerer Truck aus China an. Leonie hält den Fahrer an zu halten. Ni Hao, die Räder werden mit einem groben Seil vertaut, dann setzt der Fahrer die Eisenstange an dem Seilspanner, der seitlichen Rehling an und die Räder quetschen sich zusammen! AU! Schnell die PET-Flaschen als Puffer zwischen die Rahmen platzieren, die Freude über den Hitchhike schwindet innerlich. Nach drei Kilometer heftiger Schlaglochpiste, die mir jedes Mal Bauchhiebe setzten, wenn ich an das Velo denke stoppen wir die Aktion und die Räder stehen wieder auf der Straße. Kurz bevor wir an einem Dorfbrunnen halten, hält ein Jeep vor uns! Wie aus dem Nichts springen Marco und Tiphaine aus dem Offroader, die Überraschung steigt bis in die Haarspitzen, glücklich das Beide agil und nur leicht lediert auf uns zukommen, drücken wir uns und verabreden uns in Khorough. Die Piste wird besser, bleibt für 20km erträglich und lässt uns hinter Roshun im stockdunkeln, nach einem Checkpoint mit sternhagelvollen Militärs, hinter einem großen Stein campen.

Der Tag nach Khorough, sechzig Kilometer entfernt, wird zur Belastbarkeitsprobe. Zuckerbonbons retten uns auf den Bazar in Khorough und über eine 15% Rampe erreichen wir das favorisierte „Pamir Lodge“ Hostel in dem Paul und Leiset bereits auf uns warten. Die Filterskala (0-10), die nichts anderes als das persönliche Befinden auf der Toilette und somit ein breites Stück Allgemeinbefinden angibt ist stets wichtiges Kommunikationsmedium. Wir laufen bei 3-4 auf der Skala ein, was uns mitleidsvolle Blicke beschert und uns müde lächeln lässt. Wir sind da! Bereit zum rasten, was wir drei Nächte ausgiebig tun. Auftanken, mit heißer Dusche, Internet, Frühstückskaffee, Pfannkuchen, italienischem Risotto und anderen Gesundmachern!

Das Hostel ist Treffpunkt für Radreisende, Backpacker Offroadvehikel und Hitchhikende. Alle unterwegs mit persönlichen Geschichten, unterschiedlichsten Blicken auf das Reisen und die Idee dahinter. Die RadfahrerInnen sind stark vertreten: Eine 3er Gruppe aus der Slowakei, Solo Holländer Luc, Solo Franzose Philip mit Akkordeon, Cément und Matthieu aus Grenoble, Leiset und Paul, wir und rehabilitierende Südeuropäer im Stadtzentrum. Die Gruppe wächst für einen Abend um Johann aus Schweden, der zwei Tagesetappen weiter südlich in Ishkashim als Work-away-ler in Hanis Guesthouse für einen Monat arbeitet. Groß gewachsen und trinkfest, was vor allem Paul gut gefällt, erzählt er von der Lokation und als das Wort „Ofen“ fällt, sind wir in Gedanken bereits Pflaumenkuchen und Zimtschnecken am Backen.

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Dushanbke - Khorog Höhenprofil

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