Siem Reap – Kampot (16. – 28.03.)

 

Im Bus zurück in die Hauptstadt. Es läuft die Klimaanlage und die dümmsten und zugleich diskriminierendsten Filme die wir uns vorstellen konnten. Ein Double aus Dick und Doof läuft in diversen Szenen durch Straßen, klaut, prügelt und bedrängt Frauen, um sich über ihre Opfer lustig zu machen, was den Zuschauer so scheint es amüsieren soll. Ultra schwer zu ertragen. Da kommt uns die Pause bei 39° an einer Raststätte glatt als Befreiung und gar angenehm vor.

Am Abend breiten wir Plane, Kocher und Zutaten auf der windigen Dachterrasse des Plattenbauhostels „Grand View“ aus und besprechen beim Zubereiten des Abendessens, den Fahrplan für den morgigen Tag. Denn es steht der Antrag für das Indien Visa, Geldwechsel, Marktbesuch, der Besuch des Gefängnis S21, das heute Museums-Gedenkstätte ist und über die Gräueltaten der roten Khmer zwischen 1975-1979 aufklärt, auf dem Programm.

Genau wie in Laos und Vietnam stehen wir nach Besichtigung und ausführlicher Audioinformation fassungslos der menschlichen Gewalt und den Mechanismen dieser Geschichte Kambodschas gegenüber. Es ist schlicht nicht vorstellbar wie viel Schmerz und Trauma gerade bei der Eltern- und Großelterngeneration im ganzen Land getragen wird. Zeitgeschichte, Veränderung, Erkenntnisse… Oft schauen wir in dem Jahr zurück, mit dem Blick aus der Ferne: auf zu Hause, Freunde, Familien, Länder die wir in Sequenzen kennenlernen durften und sind beeindruckt über die Menschen dieser Erde, die so viel friedlicher auf uns wirkt, als wir es uns je vorstellen konnten. Es ist unser Glück! Mit etwas Mut dem Horizont entgegenzufahren und den großen Planeten etwas kleiner zu machen um die Menschen etwas dichter zusammenbringen zu können. Es scheint uns, als das beste Mittel, um Vorurteilen und Rassismus gegenüber Fremden den Wind zu nehmen, der uns gerade jetzt, mit jeder Nachricht aus Europa erreicht. Ungezwungene Begegnungen und ein Austausch derer die sich vermeintlich fremd sind fördert bei uns stets Respekt, Anerkennung und manchmal den Beginn von Freundschaften.

Dafna und Simone erzählen uns am Abend wie ihr Eindruck der Stimmung im Südwesten und über BaWü hinaus sie beschäftigt und bei Menemem (Tomatenpfanne mit Rührei türkischen Ursprungs) springen wir in Erfahrungen und diversen Berichten hin und her, bis wir mit Freundinnen zu Bett gehen.

Am kommenden Morgen lassen wir mit der Sonne die Dächer der Stadt Richtung Süden hinter uns. Zu zweit als RadlerInnen auf dem Weg nach Kampot. Die kleine Hafenstadt die mit ihren Bergen und Feldern berühmt ist, für Salz und Pfeffer, werden die Freiburgerinnen mit dem Bus einen Tag vor uns erreichen. 150 Kilometer bedeuten bei Hitze und Gegenwind stramme knappe eineinhalb Tage Sitz im Sattel. Wir sind froh als der chaotische Verkehr hinter uns liegt und wir die Hauptverkehrsader zu Gunsten einer Seitenstraße eintauschen können. Wir sind entspannt. In der Nachmittagshitze sind wir an einem See unter Zuckerpalmen und trinken später Eiskaffee in einer kleinen Garage, bevor es wieder auf die Straße geht. Zur Dämmerung läuft alles wie gehabt, abseits der Straße auf einem trockenen Reisfeld begutachten wir Zeltplatz und Duschmöglichkeit, der Kocher wird gestartet und wenige später kommt zu köchelndem Gemüse ein Einheimischer vorbei. Allerdings kommen eine Stunde später ein Polizist und zwei Soldaten zu uns, die mit Taschenlampe und Kalaschnikow den Grund für das Campieren erfragen, Personalien aufnehmen, Anrufe tätigen und später, nachdem ich ihnen versichere, dass ich zu meinem Gott um meine Sicherheit bete, als Aufpasser in Sichtweite über Nacht Stellung beziehen.

10:05 Uhr, Einfahrt in Kampot, schon laufen uns Simone und Dafna über die Brückenstraße entgegen, der Markt ist gleich um die Ecke! Die beiden sind skeptisch, was die Lokation betrifft, wir sollen einfach vorfahren und uns selbst ein Bild machen. Kampot ist ein kleines Städtchen am Fluss „Prek Tuek Chhou“, der sich nach der Stadt gabelt und auf Grund des Meerwassers, das sich über zehn Kilometer ins Landesinnere drückt sehr salzhaltig ist. Der Nationalhighway kreuzt genau wie wir das Gewässer, dann biegen wir rechts ab und folgen der Straße flussaufwärts. Simon’s Village hatten wir ursprünglich ausgesucht, an der Straße stehen hintereinander aufgereihte Schilde: Salty River Resort, Mom’s Home, Riverside Resort, Riverview luxury und als zweitletzte Einfahrt sehen wir Simon’s Village. Simone und Dafna hatten vermutet es wäre uns möglicherweise zu „touri“! Doch die Hüttchen und Bungalows sind alle mit viel Liebe in einem Wald von grünen Bananen-, Mangobäumen, Limettensträuchern und vielen anderen rankenden Gewächsen traditionell arrangiert. Unser Hüttchen steht in zweiter Reihe am Wasser, wir haben Maracuja im Vorgarten liegen, es gibt Holzbalken und lose Steine um sich vor dem Eingangsbereich eine Kochstelle einzurichten, die mit den Tagen an Umfang und Qualität zunimmt.

Schnell fühlen wir uns wie zu Hause und verlängern unseren Aufenthalt um weitere fünf Tage. Klar ist die Lokation für Touristen, es gibt ein Restaurant, Kanu-, Moped- und Fahrradverleih. Angeboten werden externe Touren und morgens wird stets gefegt und anschließend gewässert. Doch wer eine Küche vor der Haustür einrichtet und den Gastrobereich nur zum Yoga machen und chillen nutzt hat das Gefühl ein eigenes zu Hause zu leben. Denn Markteinkäufe im Umfang für vier Personen, für zwei Tage und drei Malzeiten, ist doch anders als die Menükarte des Resorts aufzuschlagen, was wir mit Genuss auch zweimal machen.

Es ist Zeit zu feiern, es ist der 19.03.2016 und wie jedes Jahr, haben Simone und ich am gleichen Tag Geburtstag. Gemütliche und entspannte Stimmung, mit Post-Glückwünschen von zu Hause und dem Geschenk zu viert an einem weit entfernten Ort zu sein. Ein genussvoller schöner Tag an dem wir nochmals näher zusammenrücken.

Flussaufwärts radelt die Gruppe den Wasserfällen entgegen, die fünf Kilometer entfernt hinter einer Staumauer liegen sollen. Doch unverhofft, werden wir auf Grund eines Schutzgebietes zur Kasse gebeten, zwei Typen stehen auf der Straße und kassieren pro Person 4$, beim Passieren der Landmarke. Wir drehen um, auch weil eine entnervte Touristin auf dem Rückweg ihr Passiergeld zurückfordert.

Zurück über sandige Pfädchen finden wir die Uferstraße, die uns an netten Plätzen wie einem kleinen Restaurant und einem Sandstrand halten lässt. Vermutlich der beste Strand in Kampot. J Der Abend findet in einer ausgedehnten Kochsession ein attraktives Ende und alle gehen hinter durchlöchertem Moskitonetz zu Bett.

Dann soll es endlich so weit sein, Leonie hatte mich bereits mehrfach gebeten, das ich meine Kreditkarte, die rund acht Monate in einem Winterhandschuh in der Türkei unterwegs war, der mit Mira den Weg zurück auf den Hunsrück fand und im Anschluss über Freiburg nach Kambodscha zu mir kam, zu nutzen, um unsere Dollar Liquidität zu vergrößern. Warum? In Myanmar soll es nur wenige bis keine Geldautomaten geben und zudem legen die Wechselstuben extrem großen Wert auf „druckfrische“ sprich makellose 100 Dollarnoten, die den besten Wechselkurs erzielen. Doch etwas zwischen mir, meiner Kreditkarte und dem Wissen über den Verlust der Ersten, lässt den Versuch in ungekannter Nervosität und Dummheit scheitern. Mit tief sitzendem Frust über meine nicht vorhandene Intelligenz und Unfähigkeit der Eingabe von vier Zahlen am Automaten steigt der Selbsthass an diesem Vormittag bis er explodiert! Was den Urlaub für eine zeitlang aus dem Gleichgewicht bringt und meine rechte Hand über Monate schmerzen lässt! Dabei war die Situation im Anschluss verhältnismäßig einfach zu retten. Ein Skypeanruf bei der Bank und einen Tag warten brachte den Ausgangspunkt zurück auf Anfang, doch innerlich beschäftigte mich der Fall deutlich länger.

Montag! Es ist soweit. Der Plan: für 5$ einen Roller leihen, tanken, nach Phnom Peng düsen, beide Pässe mit unseren Indienvisa abholen, dann tanken und zurück ins Resort, steht seit ein paar Tagen. Der Plan funktioniert im Wesentlichen, wird jedoch auf dem Rückweg als es anfängt zu dämmern für eine Stunde gestoppt, da sich der Scooter auf Grund des blockierten Schlosses nicht mehr starten lässt. Erst helfen mir zwei, drei Semispezialisten, bis ich später den Richtigen finde, der das Problem in einer Minute für 1$ löst! Um 21:45 bin ich zurück, mit Sonnenbrand auf den Händen und schmerzendem Hintern, was ein Ritt!

Die drei Mädels verbrachten den Tag unterdessen auf dem Rad vorbei an Salzfeldern und am Meer.

Die Tage werden verchillt, verlacht, verkocht und zwei Mal gönnen wir uns den Banana-Boost (Bananen-Milch-Shake mit Erdnussbutter, wirklich köstlich!) des Hauses und checken die Küchenskills des Teams.

An einem Abend es ist bereits seit Nachmittag klar, dass gegenüber der Straße eine typisch kambodschanische Hochzeitsfete bis tief in die Nacht steigen wird, fällt es den Hausbewohnern schwer zur Ruhe zu kommen. Selbst Oropax helfen nur bedingt bei den tiefen Bassvibrationen die durch die Bambuswände rütteln und als gegen ein Uhr die Musik ihr Ende findet, kehren drei stark alkoholisierte Engländer und „Login“, der spendable Barkeeper von Simon‘s Village zurück. Zunächst stellt sich die ‚Wer-hat-den-Schlüssel-Frage‘, dann ruft einer der UK Jungs nach Login und Kondomen und eine halbe Stunde später setzt ein zurückhaltend kommunizierendes Päärchen die Vibrationen in anderem Umfang aber mit gleicher Ausdauer wie die Hochzeitsanlage fort. Der Ort der Extase liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, weshalb es beim Frühstück ein leichtes ist, die jeweiligen Vibrationsspitzen zeitgenau zu benennen und den Zeitumfang jeweils einzuordnen. Bei Pfannkuchen und Obstsalat, drei Frauen und ein Mann haben ja sonst nichts zu tun!

Ah! Ausgenommen der Einkäufe und der Einnahme von kaffeehaltigen Eisgetränken mit viel Zucker und süßer Kondensmilch auf Kampot’s authentischem Marktgelände inmitten dem bunten Gewusel auf wackeligen Plastikhockern. Es werden Andenken und Mitbringsel geshoppt und sich mit neuen Shirts eingedeckt.

Die 10 Tage in Kampot vergehen wie im Flug und schon heißt es wieder Taschen packen, Räder satteln, Rücksäcke schultern und auf ans Meer!

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