Kambodscha I

Battambang – Pailin (29.02 – 02.03.)

 

Über die Provinzstraße 57 summen wir durch heiße Luft an Massakerhöhlen zu Zeiten Pol Pot’s vorbei. Später am Nachmittag wird uns von trinkenden Einheimischen, aus ihrem Garten heraus, der Weg zum Fluss gewiesen. Allerdings ohne Erfolg. Nachdem die Wasserreserven am Rande der Straße gefüllt und das Flussufer erneut anvisiert sind, gelangen wir am frühen Abend an die wohl beste Zeltplatzstelle, die sich in weiter Breite ausfindig machen ließ. Mit Blick auf das Wasser und das unberührte Tal, an einer Klippe die erhaben über der gegenüberliegenden Seite liegt. Etwas weiter flussabwärts wird geangelt, Arbeiter warten durch den Fluss, später quert eine Herde Kühe unter Aufsicht von vier jungen Burschen den Strom, dann gibt es Besuch aus unmittelbarer Nähe und die Unterhaltung geht in die Vorbereitung für unser Abendessen über. So schön, so einfach das Leben nördlich der Kardamomberge, die als Gebirge südlich von uns liegen.

Über den Trampelpfad, über den wir gestern gekommen waren, geht es zurück auf einen weiteren Tag hitzigen Asphalts. Pailin ist nicht mehr weit und bevor wir an der thailändischen Grenze stehen, halten wir zur Mittagspause an einem der letzten kambodschanischen Märkte, der fast in Mitten der Tapioka Felder an der Straße liegt. Die Stimmung ist beschaulich! Kein Wunder zur Mittagsruhe, doch ohne große Mühe erhält man alles, was zum Kochen notwendig ist. Besonders knusprige Teig-Frittierwaren und Grashüpfer/Käfermix, ebenfalls frittiert sind die Überwindung wert und die kleinen Beinchen mit ihren noch kleineren Wiederhäckchen kitzeln auf der Zunge. Knusprig und schmackhaft, doch je dicker das Insekt desto mehr Überwindung braucht es. Nicht durch Zufall bleibt die daumendicke Scharbe bis zuletzt in der Knuspertüte, bis sie letztlich zwischen den Lippen verschwindet. Chillischarf der kleine Snack. Es geht weiter! Gegen Abend erreichen wir die Grenze und da der Ort nichts Einladendes ausstrahlt, sind auch gleich Stempel und ein 30 Tage Stempelvisum im Pass und nach dem ersten Eis seit langem radeln wir in die erste thailändische Nacht. Cambodia wir sehen uns wieder!

 

Phnom Penh – Battambang (23.02. – 29.02.)

 

Zu Beginn des dritten Arbeitstages verlassen wir den urbanen Kern Richtung Norden und sind froh als nach zweieinhalb Stunden keine Stadtstruktur mehr sichtbar ist. Über Sandpisten führt ein Weg zurück auf die haupte Straße, die uns nach Battambang führen soll. Dort wo die Busverbindung zehn Stunden braucht, sind es für uns vier Tage auf teils guter, teils miserabler Asphaltschicht und stets sind die Nächte im Zelt Niedertemperatur Saunagänge ohne Aufguss. Wir können nicht klagen, es geht uns gut und unterwegs halten die Räder stets an Märkten, kleinen Essensständen an der Straße, an Cafés und treffen auf herzliche Menschen, wie bspw. die Familie eines kleinen Suppenladens, auf eine kambodschanische Dame aus Hamburg, die uns prompt auf einem kleinen Dorfmarkt in direktem Charakter in eine Unterhaltung einläd und Bernd (ebenfalls im Alternsniveau der erwähnten Dame) aus München, der über viele Jahre Radreiseerfahrung in sich trägt und seinen Reiseführer „Myanmar“ der tragenden Last zugunsten an uns weitergibt.

Sonst ist es auf der Nationalstraße Nr.5 sehr laut. Alles was Räder hat und irgendwie fährt, brummt an uns vorbei. Natürlich wird vorher gehupt, mit Presslufthupen, die sonst an Großkontainerschiffen montiert sind, damit du einerseits gewarnt und zweiterseits mit dem Druck des Signals von der Straße springst. Bei großer Hitze verhällt es sich wie folgt! Der Tag beginnt um 6:30Uhr, macht Halt von 11:30 bis 16:00 und rollt dann nach einer bis zwei Stunden radeln, bei der Suche nach einem Schlafplatz aus.

Battambang nähert sich, ausweichen auf eine Seitenstraße, Ruhe und Feldwege spüren, dreizig Kilometer für den morgigen Tag aufsparen und entspannt ankommen. Aus der Thermoskanne gibt es Eiswürfel, in der Dzezwa schäumt der Kaffee auf, hausgemachtes Eisbohnengetränk, selbst die süße Kondenzmilch fehlt uns nicht. Schon während der Zubereitung, hatte sich die Nachbarin zu uns in die Schatten gesellt, um mit uns über Kaffee und die alltäglichen Dinge des Lebens zu erzählen. Zusammen unterhalten wir uns prächtig. Sie sitzt gelassen in der Hocke und immer wenn wir einen neuen, ihr unbekannten Handgriff machen, steigt ihr Interesse und ihr Körper verlagert sich aus dem Gleichgewicht.

Am kommenden Morgen bei Sonnenaufgang verabschieden wir uns bei der netten unterhaltenden Dame und vibrieren auf direkter Linie entlang des Bewässerungskanals auf schlotter Schotter stadteinwärts. Vorbei an vorgelagerten Dörfern, die im Programm des „Soksabike“ Projekts Bestandteil des wachsenden Radtourismus sind, was wir auch gleich von Chris einem erfrischend sympathischen Schotten in all seinem Humor gewahrt werden. Die Stadt ist entspannt! Soksabike wird seit einem Monat von Chris dem „Manager“, der zuvor in Taiwan in einem anderen Projekt arbeitete, im Idealfall auf Wirtschaftlichkeit gebahnt werden. Nach einem Jahr soll dann die Leitung an involvierte Kambodschaner zur Selbstverwaltung übergeben werden, so wie es auch das Eckkaffee in Sichtweite bereits geschafft hat. Den Hollowtech 2 Tretlagerschlüssel, den wir hier vermutet hatten, hat es in der Werkstatt nie gegeben und auch in den übrigen Fahrradverleihen ist dieser unauffindbar. Also lassen wir Chris seine Arbeit machen, den wir länger als erwartet in unterhaltsamem Englisch belästigen durften und drohen uns für den nächsten Tag an. Er lacht und heißt uns herzlich willkommen. In einer Absteige, nicht weit, fällt die Entscheidung für ein Doppelzimmer. Propellorwind und die Dachterrasse sind schön und als die Sonne den höchsten Stand erreicht, liegen wir mit langen müden Beinen im Zimmer, dass gerade genug Platz für Taschen, Räder und uns beide bietet. Viele Reisende kommen und gehen, mit zwei „Overland Travellern“, wie die beiden Engländer Kat und Tom von sich sagen, sind wir eine kleine Gruppe Weitgereister. Ihr Jeep, ein ehemaliger Krankenwagen, parkt auf der anderen Seite der Straße und wird gerade mit Länderfähnchen beklebt, um das Reisemobil optisch aufzuwerten. Interessiert am Komfort und dem anderen Reisen auf vier Rädern wird die alte Kiste gewürdigt. Am Abend geht es gemeinsam zum Abendessen und anschließend in eines der zahlreichen, nicht ganz so kambodschanischen, eher französischen Cafés zum Digestif in Form eines ausgesprochen leckeren Mousse au chocolat. 🙂

Am kommenden Morgen zeigt die Doppelbrennerküche an der Kofferraumtür, was sie kann! Pfannkuchen für Pfannkuchen geht über den Hecktresen des Reisejeeps und die beiden sind geschockt über die Masse an Pancakes, die auf uns vier zukommen. „Doch anders das Reisen über Land“. Zufrieden und prall gesättigt döst der Tag mit Wortjonglagen und Erinnerungspotenzial in Richtung nächstem Blockeintrag, immer mit dem Gefühl, zu langsam oder zu speziell die Erfahrungserstattung aus der Ferne, weit hinter up to date, vielleicht, wenn es das Internet zulässt am Abend im Netz zu veröffentlichen. News die Geschichte sind, denn die Zeit brennt und direkt am nächsten Morgen knuddeln wir zum letzten Mal Chris, der unbedingt neue Fahrräder braucht und radeln gen Westen.

Kampong Cham – Phnom Penh (18.02. – 23.02.)

Pay and Go, ist das Motto der schwammigen Bambusbrücke, die bei steigender Sonne unter den Rädern rappelt und richtig laut wird, wenn Mopeds beladen mit drei bis vier Personen an uns vorbeibrettern. Am Mekong in Richtung Hauptstadt ist deutlich mehr Verkehr und es staubt uns den ganzen Tag die Nase zu. Zur kurzen Erholung bieten sich die Tempel (Wat) entlang der Straße an, die überwiegend Neubauten aus den letzten zwanzig Jahren sind, da die Religion unter dem Regime der Vergangenheit dem Erdboden gleich gemacht wurde. Für die Moscheen verhält es sich gleich. Neben Statuen sitzend, um Luft ringend, erkennen wir die Option der Flussquerung mit der Fähre, die laut knatternd über den Mekong auf die andere Seite übersetzt. Nach den letzten Bananenchips, biegen wir ab zum Anleger. Interessiert und mit großen Augen wird auf die Fähre gewunken. Alle ducken sich in den Schatten, der halb mit der Kapitänsbrücke überdachten Fähre, bis sich der Kahn dreht und alle dem Schatten folgen.

Die andere Seite ist ruhiger, doch deutlich staubiger. Bei dem wenigen Verkehr der uns passiert, bleibt uns nur tief Luft zu holen und mit zugekniffenen Augen und geducktem Kopf eine gerade Linie durch den Staubnebel zu halten. Geschafft! Und gleich wird uns wieder gewunken und gelacht. Am Nachmittag umfahren wir und alle anderen Verkehrsteilnehmer eine ausgedehnte Hochzeit, die für die nächsten Tag die Straße mit Festzelt und einer Livebühne samt dicker PA-Anlage blockiert. Durch den Garten der Nachbarn hat sich bereits eine Umgehung eingefahren, die sich dann durch eine enge Passage Bambushütten zurück auf die gewässerte Piste quetscht. Die Stimmung ist ausgelassen, die Gäste, vor allem die Mädchen und Frauen in kitschigem Dress und den höchsten Absätzen die bei diesem Terrain tragbar sind, dazu spielt eine Band groovige Beats und beschallt das halbe Dorf. Wenn dann richtig! – geht es uns durch den Kopf, im selbigen Moment beeindruckt über die Feierlaune und den Kontrast den die Feier in die Mitte der Straße setzt. Mit Tanzgefühl und den rhythmischen Schwingungen halten wir am nächsten Eckkaffee und kühlen die Kopfhitze mit gesponsertem Eiskaffee, bevor wir ums nächste Eck radeln und die Zelthütte zwischen Papajabäume und Gesträuch auf die Wiese setzen.

Steil fällt das Ufer an dieser Stelle in den Mekong, sodass wir vorsichtig hinunter steigen und den Rest der staubigen Körperoberfläche abkühlend grundreinigen. Am Ufer liegen mittelgroße Boote auf denen muslimische Familien, der Volksgruppe der Cham ihr Abendessen anfangen zuzubereiten. Mit einem freundlichen „Assalamu alaikum“, gelingt auch hier ein zögerliches, verhaltenes, neugieriges Lächeln, während der Motor angezogen wird und die letzten Boote auf die im Mekong liegende Insel übersetzen, um dort sie Nachtkühle zu genießen. Dann folgen auch wir dem Hungergefühl und beginnen das Schnippeln und Dünsten. Die Nacht wird schwitzig warm, dazu schallert Musik einer anderen Hochzeit zu uns ans Zelt und am Morgen schrillt der Hochtonlautsprecher blechern die traditionelle Zeremonie-Töne in die Atmosphäre von verklebten und müden Beinen.

Beim Zusammenpacken, kommt die muslimische Community mit ihren Einkäufen vom Markt zurück, der gleich hundert Meter weiter hinter der nächsten Häuserzeile liegt. Der frühe Morgen und ein neuer Tag haben spürbar Mut gebracht, denn gleich sind wir in Gesellschaft vieler Frauen und Kinder, die Männer kommen von den Booten, sich wundernd, wo die Einkäuferinnen bleiben. Es wird gelacht, mit Hand und Fuß erzählt, dass wir nach Phnom Penh radeln und dann weiter durch Cambodia auf dem Sattel sitzen. Es gibt große Augen, Tipps, gute Wünsche und es wird gebeten, dass wir auf uns aufpassen sollen. Klar jeden Tag, soweit es nötig ist.

Langsam schieben wir die Räder auf den Markt, besorgen das was fehlt und satteln auf, weiter entlang der Straße, dem Strom folgend. Runde siebzig Kilometer sind es noch bis zum Hauptstadtziel, doch je früher wir auf dem Immigration-Büro unser Visum verlängern lassen, desto weniger Spielraum bleibt uns in der gemeinsamen Zeit mit den immer näher rückenden und mit großer Freude erwarteten Freiburgerinnen. Also schalten wir mit Planungsgedanken und dem vor uns liegenden Wochenende drei Gänge kleiner und genießen einen weiteren Tag am Wasser. Ganze dreizig Kilometer später richten wir unser Mittagslager unter schattenspendenden Bäumen ein. Wir sind an der letzten langgezogenen Flussbiegung auf der Seite der Sedimentation. Auf den großen Weiden und über den Gleithang führen die Viehhirten gemächlich ihre Schafkopfkühe, damit diese sich im Wasser erfrischen können, um danach angepflockt wider in der Sonne zu grillen. Der Nachmittag zieht mit seiner Hitze vorbei und gegen Abend folgen wir den Ortsansässigen ans Wasser um ebenfalls mit Seife den Pelz zu schrubben. Wir kochen mit Publikum und hoffen, dass diese Nacht etwas frischer Wind durch den Zelteingang weht. Es weht nur verhalten. Deutlich durchdringender trägt die Luft, was uns wenig überrascht, die Hochzeitsmusik aus dem Dorf zu uns und uns wird klar warum einige Anwohner des Abends mit Sack und Pack zum Strand geschlendert sind. Der Vollmond tut seines zur schwer genießbaren Nacht. Wir hoffen auf Phnom Penh, Erholung und ausreichend Schlaf bei Hong, den wir in der ersten Nacht in Cambodia mit seiner Familie kennengelernt hatten.

Der nächste Vormittag ist durch Baustellen und Erdarbeiten geprägt und je näher wir der Metropole kommen, desto weniger atmosphärisch ist das Bild entlang der Straße. Eine große Fähre bringt uns gegen Mittag ans Stadtufer und in der fußläufigen Masse schieben wir die Räder hoch auf die Hauptstraße. Da sind wir! „Ruft mich einfach auf meiner Handynummer an“, hat uns Hong vor gut zehn Tagen gesagt. Also fragen wir vereinzelt Passanten ob wir kurz eine Handynummer mit deren Telefon anrufen dürfen. Kurze Zeit später meldet sich Hong schläfrig am anderen Ende der Leitung. Kein Problem wir sollen kommen, am besten zum „Wat San Sam Kosal“, der sei gleich bei ihm um die Ecke, dann würde er uns aufsammeln. Nach kurzer Recherche ist der Wat auf der Karte ausgemacht und es geht los durch die Stadt. Am Wat ist reger Betrieb. Markt, Frisör, Zahnreperateure, Verkäufer, Verkehr alles bewegt sich außer wir, denn wir warten erst mal ob uns nun Hong abholt. Es passiert nichts, drei vier Telefonate später steht der Gute mit seiner herausgeputzten Honda Dream – dem Standardmodel in Kambodscha – vor uns und winkt uns in seinen Windschatten. Zwei Minuten später sind wir da und fallen auf die Stühle im Foyer, das Hong in aller Eile kurz vorher nass gewischt hatte.

Hong lebt in einem Haus, dessen Ausmaß ohne weiteres für eine Großfamilie ausreichen würde. Es liegt in einer verwinkelten südwestlich gelegenen Ecke der Stadt und grenzt mit einer Seite an die Hausmülldeponie des Blocks, so scheint es. Aus dem riesigen Wohnraum im Erdgeschoss, der zum Teil bis zur Decke des zweiten Stocks ragt, gelangen wir über die spartanisch ausgerüstete Küche in den zweiten Stock wo sich Hong in einem der beiden Schlafzimmer basisorientiert eingerichtet hat. Das Zimmer gleich nebenan, steht offensichtlich leer, dem Sauberkeits- und Einrichtungsgrad nach zu urteilen. Über eine weitere schmale Treppe und nach dem jaulen einer blechernen Tür stehen wir auf der überdachten Dachfläche. Wo Feldbett, Wäscheleinen und herumliegender Rat wie Unrat von der Nutzungsintensität zeugen. Es ist Sonntag. Zugegeben, super gemütlich ist anders, doch Hong tut alles um die hallende Betonhütte in eine charmante Atmosphäre zu verwandeln. Wir bleiben mit unseren Rädern und Gepäck unten, hier gibt es ein Badzimmer, ein Bett, zahlreiche Stühle und einen Fernsehapparat, der schon kurze Zeit später flimmert und die lokalen News in Endlosschleife rotiert. Beiläufig, wir hatten kaum noch damit gerechnet, löst Hong das Rätsel der elterlichen Plantage und deren Frucht. Ganz einfach! Mit dem Gedanken an Bohnen lagen wir eben weit entfernt von Cashewnüssen, die im Inneren der Nierenbohne gedeihen.

Am Abend drängeln Hong, mit Leonie auf dem Moped, zusammen mit mir auf dem Fahrrad durch die belebte, enge Schneise der Marktstraße. Fisch, Reis und Gemüsetopf stehen später auf dem total unpraktikablen Küchenmobiliar, danach kuscheln wir uns unter das Moskitonetz, welches vom Windstrom des Ventilators windschief in seinem Provisorium seine Form hält. WLAN braucht Hong nicht, er besitzt diverse Sim-Karten, die er je nach Verwendung seines Smartphones tauscht oder erneut mit Guthaben aufläd.

Auch wir gehen am nächsten Tag eine Sim-Karte kaufen, nachdem der Tag als solcher, kein nennenswertes Erfolgserlebnis für uns bereitgehalten hatte. Denn mit dem Versuch unser Visum zu verlängern, waren wir nach zwölf Kilometer Anfahrtsstrecke, durch regen sowie chaotischen Stadtverkehr bereits am morgen, am buddhistischen Feiertag gescheitert, der gleichzeitig ein Behördenfeiertag ist. Es ist zudem ein verlorener Werktag, was uns zusätzlich ein Wochenende in die Bearbeitungszeit setzt, was sich am Tag darauf aber als unnötiger Ärger herausstellt, da der Bewilligungszeitraum sechs, statt, wie wir gehofft hatten, verhandelbaren drei bis fünf Tage in Anspruch nimmt und der Tag der Antragsstellung nicht mitinbegriffen wird. Neun Tage Phnom Penh, jetzt sind wir richtig gefrustet! Es bleibt die Option, das Land in der uns verbleiben Visazeit nach Thailand zu verlassen und ohne Bürokratieaufwand, zehn Minuten später, erneut mit neu ausgestelltem Visa in Kambodscha einzuradeln. Die Entscheidung wird auf den kommenden Tag verschoben, es bleibt viel Zeit im Eiskaffee und WLAN die Optionen zu bewerten. Unseren Gastgeber, den wir am Tag zuvor zum Essen eingeladen hatten, müssen wir heute mit Kürbispüree und Klebereis zufriedenstellen, die Begeisterung hält sich in Grenzen.

Doch der Plan steht und es soll südlich des Tonle Sap See, Richtung thailändische Grenze gehen, dann entlang des Grenzverlaufs nach Norden, um dann möglichst Zeitgleich mit Dafna und Simone in Siem Reap, über die nach Süden führende Straße zusammenzuführen, was wir sehnlichst erwarten.

Le Thanh – Kampong Cham (07.02. – 18.02.)

 

Am Tag des Neujahrs radelt es sich frisch und in neugieriger Erwartung dem Osten Kambodschas entgegen. Vorbei an aufgetürmten Scheithaufen, die an oder im Straßengraben von jeder Familie ordentlich präpariert werden, können wir uns die heiße Fete am Abend gut vorstellen. Hitze müssen wir uns ehrlich gesagt nicht vorstellen, die versuchen wir Tag für Tag an uns vorbei zu organisieren. Die Stimmung der grenznahen Vietnamesen ist voller Spannung und Freude auf den bevorstehenden Jahreswechsel, der drei Tage ausgiebig gefeiert wird. Auf dem letzten Markt kaufen wir nochmals üppig Bananen und Melone ein, dann rollen wir vorbei an Buschfeuern und lebloser trockener Steppe dem Checkpoint entgegen. Die letzten zwei Kilometer auf qualitativ hochwertiger Zweispurenstraße, das hat nichts mit dem Verkehrsaufkommen zu tun, sondern einzig mit präsentiertem Unsinn, denn auch die Grenzstation ist um das zehnfache überdimensioniert. Acht Schalter in einem Raum so groß wie eine Turnhalle mit zweiköpfiger Beamtenbesetzung. Kein Wunder, dass quer zur Achse ein Badmintonnetz gespannt ist und hier und da die Fensterscheiben gesprungen sind. Wir verlassen die gähnende Leere, zeigen dem Beamten am letzten Straßenposten unseren Ausreisestempel und können 500 Meter weiter die Nationalfahne mit Angkor-Emblem in Rückenwindrichtung flattern sehen. Die Straße verjüngt sich auf eine einfache Überlandstraße, der mobile Grenzwall und die Holzhütte rechts von uns deuten auf die anstehende Administration hin und an einer Sitzgarnitur liegen die Visaanträge.

Dreißig Minuten später sind wir, im Gegensatz zu einem Deutschen aus entgegenkommender Richtung mit knackigem Einreisestempel in Kambodscha. Wir lassen die sechs Grenzbeamten und den Mopedtourist, ohne Stempel und Visum, in überschaubaren Schwierigkeiten hinter uns, wundernd wie er es geschafft hat und im Glauben blieb, dass keine Erfassung nötig sei.

Die Piste und das Ackerland brennt! Es glutscht an jeder Ecke, beißender Qualm steigt am Rande der Grasnarbe und in weiter Ferne auf. Es züngelt und knistert, Wälder und Felder sind kohlschwarz und leergebrannt. Nur die Rubber- und süßlich duftenden Fruchtplantagen und einzelnen Maniok-/Tapiokafelder erinnern noch an Vietnam obwohl in dieser Region viele Vietnamesen leben. Es geht auf und ab vorbei an ersten kleinen Siedlungen mit Straßenessen und kleinen Läden bis in die drohende Dämmerung.

Wo schlafen? Wie fragen? Wie reagieren? Die Entscheidung fällt auf eine alte Plantage, die links der Straße, hügelseitig leicht abfällt. Es steht zwar ein offenes Haus in unmittelbarer Nähe, doch in den knorzigen Bäumen verliert sich der scharfe Blick schnell und wir stellen unerkannt unser Zelt. Bei der Zubereitung des Abendessens, kommen langsame Schritte den Hang zu uns hinunter. Ein altes Ehepaar grüßt uns lächelnd und sammelt unter herzlich verwirrten Blicken die Früchte von den Bäumen, die so ekelig süß schmecken und wir nicht wissen, ob diese überhaupt essbar sind. Erstaunte Minen machen wir, als die gelb- oder rotfarbenen Früchte mit selbstverständlicher Gleichgültigkeit nach Abtrennen der Nierenbohne am unteren Ende der Frucht, rücksichtslos auf dem Boden landen. Als die authentische Frau Vertrauen geschöpft hat, sitzt sie vor uns in der Hocke nieder und verfolgt mit wachen Augen den köchelnden Reis und die Möhren, die auf dem Schneidebrett in Würfel zerfallen. Ihr Mann steht etwas entfernt, nachdenklich interessiert, eine respektvolle Distanz wahrend. Wir stellen uns vor, geben zu verstehen, dass wir mit ihrer Einverständnis unter den Bäumen schlafen würden, zu Abend essen, frühstücken und morgen in die Stadt Banlung weiterfahren. Die Beiden tauschen einvernehmliche Blicke, sie schlägt die Augen mütterlich auf und zu, nickt und deutet den Pfad hinauf, worauf sie aufsteht und mit ihrem Mann zurückgeht. Kurze Zeit später, wir haben den Topf auf der Flamme gewechselt, kommen beide mit zwei Söhnen, in unserem und jüngeren Alter zurück. Hong der Ältere spricht englisch, die Fragen von vorhin und einige mehr werden für alle übersetzt, es soll diese Nacht kalt werden sagt uns Hong, besser wir kommen hoch zu ihnen ans Haus. Wir versichern, für kalte Nächte kambodschanischer Art sind wir übergalaktisch ausgerüstet, zum Frühstück würden wir am Morgen bei ihnen vorbeischauen.

Die Plantage in der wir sitzen wirft je Kilogramm Frucht ca. einen Dollar ab, erzählt Hong. Immer noch können wir uns keinen Reim auf die Frucht machen, die scheinbar einzig aus der Bohne besteht. „Das meiste wird nach China verkauft, zur Erntezeit geht es in der Region heiß her“. Das englische Wort fällt ihm nicht ein, vielleicht könnten wir dann mitreden, „wie kann man die Bohne denn essen“, fragen wir ihn. Er nimmt die gerösteten Erdnüsse in die Hand, „like this!“. Wir schauen uns fragend an. Dann nimmt er 8 Bohnen, fragt nach der Pfanne und schon rösten und saften die Bohnen auf dem Pfannenboden hin und her. Es dampft und zischt, sodass wir nicht sicher sind, ob er weiß, was er da tut, doch er versichert: „Maybe again five minutes“. Als die rabenschwarzen Nierchen vom Feuer kommen, müssen sie noch in zwei geteilt werden und dann endlich finden sie den Weg in den Gaumen. Leider klärt sich das Rätsel nicht, wir sehen nur, der Aufwand für die Bohne zu essen ist immens. Nach der Röstpräsentation, bei der unsere junge Pfanne überdurchschnittlich gelitten hatte, wünschen uns alle eine gute Nacht und wir einen guten Rutsch ins neue Jahr! Kurze Zeit später kommt Hong doch nochmal mit einem halben Hähnchen, im Auftrag seiner Mutter vorbei, welches in der Pfanne geröstet den Abend zum Festmahl aufwertet. Wir können es kaum fassen, die Nacht wird erstaunlich kühl und wir schlafen vom Feinsten.

Zum Frühstück gibt es, wie gehabt Bananenmatsch mit Zucker und Klebereis, der in Kambodscha „Daneeb“ heißt. Fertig bepackt schauen wir am Ersten des Jahres bei Hong und seiner Familie vorbei, die gerade wie fast alle in Südostasien den Hof fegen. Als Frühstückssnack dürfen wir Jackfrucht, Milchfrucht und Litschi verkosten, dann will uns Hongs Mutter noch eine von den Jackfrüchten mitgeben, doch die ganze Frucht wiegt knapp zehn Kilo, es gelingt das Angebot dankend abzulehnen, nach Fotos, Plausch und diversen anderen Angeboten verlassen wir die unglaublich nette Familie mit ganzem Hühnchen, vier Milchfrüchten, einer Hand voll Litschi und Hong als Gastgeber in Phnom Penh. Die erste Erfahrung, für uns neue im Land und gleich sind wir fasziniert von den Menschen.

Banlung ist nicht weit. Genauso wie der See des erloschenen Kraters vulkanischen Ursprungs, der drei Kilometer vor der Stadt und indirekt auf unserem Weg liegt. Der Parkplatz vor dem romantisch gelegenen kreisrunden Wasser, sagt alles. Es ist chinesisches Neujahr, ein Fest das keiner auslässt, vor allem nicht die/der KambodschanerIn, weil es zum Feiern, Trinken und Ferien auskosten animiert. Uns wird Plattform vier auf der gegenüberliegenden Seite der Partyzentrale von einem NGO Mitarbeiter ans Herz gelegt.

„Bis 14:00Uhr sollte es noch ruhig sein“. Matt ist aus Wales und passt auf, dass das beeindruckende Ökosystem und die einheimischen Stämme, die seit hunderten von Jahren die Spiritualität des Ortes wahren, nicht allzu viel Schaden nehmen. Auf der Plattform, auf die alle Europäer geschickt werden, sitzen ein spanisches Päärchen und später ein englisch, deutsches Paar, allesamt mit Lebenserfahrung aus Berlin. Die Stimmung ist gut, das entbeinte Hähnchen super lecker und nach und nach rücken die Grüppchen mit den Aktivlautsprechern und Technobeats dichter und dichter.

Für drei Nächte kommen wir im Sunset Village, am Rande der Stadt, in einer Holzhütte unter. Auf dem Hof sitzen Sung, der Betreiber des Hostels, Teile der Familie und Freunde, die bei lauter Musik und literweise Bier kräftig Karaoke singen. Kurz fühlt es sich so an, als hätten wir den See nie verlassen. „Das Feiern hat System“, erklärt Sung. „Heute Freibier für alle, und um 20:00Uhr sind wir betrunken und gehen ins Bett“. Als er uns eine geräumigere Hütte abseits des Lautsprechers anbietet, sagen wir nicht nein! Der Alkoholkonsum ist hoch, genau wie die Wortdichte und die Tränen der kleinen Zwerge, die sich ausdauernd pisaken, doch bereits um 19:00Uhr ist der Pegel zum ins Bett gehen erreicht. Die Männer ins Bett, die Frauen müssen noch aufräumen! Morgen ist der letzte Tag der Neujahrsfete, wenn nicht direkt ein anderes Fest sich anschließt.

Die eigene Holzhütte ist ein Genuss im Schatten von Mango- und Avocadobaum, die allerdings keine Früchte tragen. Aktuell ist Saison für Milchfrucht und eine Frucht, die der Mango ähnlich sieht, jedoch nach süßem Kürbis und mehlig schmeckt. Es bleibt Zeit zum Erholen, Khymer auf den täglichen Marktgängen zu lernen und für kreatives Schreiben. Banlung hat den Ruf einer heißen, schmutzig-staubigen Stadt ohne touristisches Highlight. Auf dem großen zentral gelegenen Markt, ist der Schmutz noch sichtbar, doch der Staub gebunden im Fischwasser und anderer Brühe, die durch die kleinen Rinnen sickert. In der Haupthalle ist eine grandiose Atmosphäre. Die muslimische Volkgruppe der Cham sind meist Fleischfachverkäuferinnen, die mit einem schweren Beil, die großen Stücke gezielt, präzise, mit einer Wucht auseinanderteilen und schnell ihr Geschäft machen. Dabei spielt Muskelverlauf oder Knochen keine Rolle. Frische, Knautschkonsistenz, Fett, Hautfett, Knochen oder Fleischanteil machen bei der Preisberechnung den entscheidenden Unterschied. Nicht selten fingern zwei bis drei Hände gleichzeitig im Fleisch herum, um die angebotene Qualität auszumachen. Gegenüber bündelt ein Gemüseverkäufer zwei Kilo Zitronengras, um es an einem Fräskopf zu frischen feinen Stückchen zu verarbeiten. Daneben sitzt seine Frau die fleißig halbe Kokosnüsse in die gleiche Art Maschine hält um die duftenden Raspeln in einer Schüssel zu sammeln. Gleich als solche werden sie verkauft oder später zu Kokosnussmilch gepresst. Etwas weiter rechts sitzt die Platzhirschin. In einer Nische, gerade groß genug um ihr monströses Hinterteil auf einem weichen Kissen und ihre Utensilien in überschaubarem Aktionsradius zu platzieren, stehen die breiten Schenkel links und rechts an dem vor ihr stehenden Wok vorbei, in dem gelbes heißes Fett seine Schlieren wirft. Um den prallen Hals und ihre Brust hat sie eine Schürze gebunden, die den Leibesumfang voll auskostet. Zwischen Den Füßen steht ein kleiner Schemel, über den die Schürze fällt und eine schwere, große Bananenpranke liegt, die von geübten ähnlich voluminösen Händen, genussvoll zerteilt und aufgeschnitten werden. Wer länger auf frittierte Bananen im Teigmantel wartet, bekommt den Eindruck, die Frau agiert mit ihren gewichtigen Armen in fünf Dimensionen. Wobei Dimension vier und fünf die verbale Interaktion mit den benachbarten Geschäften und letztere die Geschwindigkeit ihrer Handgriffe beschreibt. Das fertige Produkt die nette Dame, die herzlich mit den Augenbrauen spielt und schrillend lacht, das ist so wunderbar und super lecker!

Für viele Reisende ist die Stadt Ausgangsort für Dschungelwanderungen in den nordöstlich gelegenen Nationalpark. So auch für eine Gruppe deutschsprachiger Europäer, die sich zufällig im Sunset Village zusammengefunden haben, gemeinsam mit einem Guide, Hängematten und teils auf der Ladefläche des Pickups Platz nehmen und die Lokation fast zeitgleich mit uns verlassen, ganz aufgeregt wie das dreitägige Dschungelerlebnis sein wird.

 

 

Die Tage Richtung Westen sind zu heiß! Die Nächte sind es auch! Zudem liegt alles Land in der Hitzestarre. Die Felder sind verbrannt, die Böden karg und aus Sand. Die wenigen Flussquerungen sind bejubelte Szenen auf dem Weg zum Mekong, den wir in Laos einst verlassen hatten. Am ersten Abend schlafen wir neben müden Kühen auf einem Reisfeld, in Sichtweite zu Truckerfahrern, die an der Straße rasten.

Am Tag darauf werden wir von Marc aus der Schweiz eingeholt, den wir am Morgen darauf unsererseits beim Bepacken seines Velos einholen. Zu dritt brettern wir dem Mekong entgegen. Über in Staub gehüllte Bauabschnitte und zerstörte Asphaltdecken hächeln wir uns in den rettenden Schatten der Bäume am Ufer des imposanten Gewässers und löffeln die drei Melonen, die wir kurz zuvor gekauft hatten. Am späten Nachmittag geht es weiter. Marc der möglichst schnell in der Hauptstadt ankommen möchte, wird noch bis in den späten Abend im Sattel sitzen. Wir hingegen biegen zwei Kilometer später rechts ab und machen es uns auf einer freien schattigen Fläche zwischen Uferstraße, Flusslauf und den Nachbarn links wie rechts von uns bequem. Einlassen, auf die ganz andere Art von Leben am Fluss, das gelingt schnell. Hier, wo Wasserbüffel im Mekong baden, Fischer mit ihren Booten hinauspaddeln um Netze zu legen oder zu werfen, Gärten, Obst- und Bananenbäume gewässert werden. Die gegenüberliegende Uferseite leuchtet und die fünf Kids tollen mit viel Energie all ihre Spiele und Kunststücke am Kletterbaum hoch und runter. Am Abend gehen auch wir im Mekong baden und lauschen den Sängen der Muezzin die aus der Ferne zu uns gelangen. Während das Abendessen kocht, werden die Büffel neben uns mit Farngrass gefüttert, danach gesellt sich die Nachbarin zu uns und lacht beherzt bei jedem Wort das wir ihr auf Khmer anbietet können. Langsam gehen die Lichter entlang der Straße aus und Nachtruhe kehrt ein. Hier und da lassen sich ein Fernsehapparat oder die Musik einer Hochzeit vernehmen, dann schlafen wir beide ein.

Die Menschen am großen Strom sind fantastisch! Fischer, Gemüse- oder Reisbauern, stolze Viehherdenbesitzer mit stattlichen Kühen oder knuffigen Wasserbüffeln, vereinzelt kleine Gemischtwarenverkäufer, Restaurants, Schneidergewerbe, wer sich fünf Kilometer in die ein oder andere Richtung begibt, findet alles was die Grundversorgung abdeckt. Dazu sind viele fahrende Händler auf Mopeds unterwegs, die sich mit Musik oder lautem bewerben ihrer Produkte in der Nachbarschaft ankündigen. Die traditionellen Häuser und der individuelle Scharm an Vielfalt, lassen uns kaum den Blick nach vorne richten und oft müssen wir staunend stoppen, um die Schönheit des Augenblicks aus dem alltäglichen Leben zu genießen. Zwischen 05:00 bis 11:00 ist auf den Straßen reger Fuß- und Radverkehr, danach hängen die KambodschanerInnen in Hängematte zwischen den Grundpfosten ihrer Häuser, um den Tag im Schatten in luftiger Lage zu dösen.

Als wir am Mittag in Kratie ankommen, einer Stadt von der kleine und mittlere Boote zum Flussdelphine watching auslaufen, sind wir überladen an Eindrücken und herrlichen Szenen entlang der Uferkante, der wir auf einer parallel laufenden Sandpiste teils durch die Höfe und Gärten der Einheimischen gefolgt waren. Mit dem Einkauf auf dem belebten Markt der Stadt geht es weiter, bis in ein kleines Lokal, wo wir Eiskaffee mit süßer Kondensmilch und Eiswürfelchen verrühren. Dazu gibt es Zuckerleckerreien vom Markt, die vorzüglich schmecken. Am Abend finden wir mit etwas Glück einen Zugang zum Wasser der langsam zum Fluss abfällt. Denn sonst beschert die lang gezogene Schleife des Flusslaufs nur schroffe, von der Erosion stark beanspruchte Ufer, die sich Jahr für Jahr zur Regenzeit weiter ins Land und den Häusern, so scheint es, näher rücken. Über den Vorgarten, vorbei an kleinen Hütten und Bananenbäumen gelangt man an den Anleger, wo kleine Boote auf die vor uns liegende Flussinsel übersetzen. Wir erkundigen uns bei einer muslimischen Familie ob wir neben einer aus Bambus verflochtenen Gartenbegrenzung unser Zelt aufstellen können und für eine Nacht bleiben dürfen. Gleich bringt sie uns eine größere Unterlage, vermutlich weil unsere Plane so schäbig wirkt, auf der wir unsere Küche und Vorräte ausgebreitet haben. Wir danken herzlich und ihre beiden Kinder schauen den Fremden noch eine Weile bei der Zubereitung von Gemüse und Reis zu. Diesen Abend scheint die Moschee in unmittelbarer Nähe zu sein, denn sie ist deutlich und klar zum Abendgebet zu hören.

Als wir über den kleinen Pfad zurück auf die Straße gelangen, ist der kleine Markt links neben uns in vollem Gange. Dort wo gestern nur zu vermuten war, dass es sich hier um kleine Stände handeln könnte, sind jetzt rund dreißig Verkäuferinnen meist der Volksgruppe der Cham angehörig, die von Gemüse, über Fleisch, Fisch und frittierten Snacks, nicht nur uns zum Halten bringen. Munter kaufen wir Teigwaren und schäckern mit den Verkäuferinnen, für die wir ebenfalls eine ungewohnte Abwechslung sind. Auf der Straße ist wie jeden Morgen das pure Leben am sprudeln. Es wird vor der Haustür gefegt und brennbarer Müll direkt entfacht und an Ort und Stelle verbrannt. Die riesigen Schlappohrkühe liegen in der Morgensonne, der Hof wird gewässert, Ochsenkarren mit Tabak rollen uns entgegen, die an Sammelstellen entladen werden, um anschließend von fleißigen Frauen zum Trocknen auf lange dünne Stäbe aufgestochen zu werden. Der Vormittag zieht vorbei, bis es Zeit wird, sich im Schatten der Sonne zu entziehen. Unter baumhohem Bambus mit direktem Zugang zum Ufer finden wir ein nettes Plätzchen. Der steile kleine Pfad führt durch Gärten hinunter zum Wasser, besser erfrischen geht einfach nicht. Wir versuchen uns an Bambusflechtkunst, im Garten wird ebenfalls hantiert, mit dem frisch geschnittenen Gemüse setzt sich eine Dame zu uns in den Schatten, putzt und rupft welke Blätter vom grünen Stängelgemüse, welches am Abend an einem der Marktstände verkauft wird.

Als wir am späten Nachmittag einen Fähranleger passieren, der den haupten Verkehr auf die gegenüberliegende Flussseite bringt und wir entgegen dem Mainstream weiter geradeaus rollen, fängt kurze Zeit später die Schotter- und Schlaglochpassage an zu wirken. Die Konzentration steigt, das Tempo sinkt. Mit einem hastigen Blick nach rechts, entscheiden wir nach verrüttelten Kilometern abzubiegen, um am Ufer einen Platz als Bleibe zu suchen. Dieser ist schnell gefunden, im Wasser baden die Einheimischen oder Waschen ihre Wäsche, die Kinder tollen und raufen mit Papa oder großen Geschwistern. Wir machen Kunststücke, wie Handstand unter Wasser oder Schulterstand, schnell gibt es die ersten Nachahmer und dreißig Meter weiter strampeln die Füße kopfüber aus dem Wasser oder stehen giggelnd und wackelig auf den Schultern des Unteren. Als es dämmert winken die neuen Akrobaten zum Abschied auf dem Weg ins nahe gelegene Dorf. Wir organisieren unser Abendessen und just als wir den letzten Happen gegessen haben, kommen aus dem Dunkeln zwei händevoll Lichtkegel auf uns zu. Mit etwas englisch übersetzt uns eines der Mädchen, dass der „Bürgermeister“ uns zu sich nach Hause einladen möchte, damit wir nicht draußen im kalten nächtigen müssen. Würde das Zelt nicht stehen, die Taschen unausgepackt an den Rädern hängen, das Geschirr gewaschen sein und wenn der Abend jünger wäre, dann hätten wir gerne Ja gesagt. Wir geben zu verstehen, dass wir uns geehrt fühlen, doch bitten wir um Verständnis, nun wo wir ins Bett gehen könnten, an Ort und Stelle zu bleiben. Etwas wehmütig wird die Situation akzeptiert, nachdem alle versichert sind, dass es uns an nichts fehlt und wir keine Angst haben müssen. Im Einvernehmen nicken wir, schütteln Hände und wünschen Allen eine gute und geruhsame Nacht.

Kampong Cham ist nicht mehr weit. Die viertgrößte Stadt Kambodschas ist über die längste Bambusbrücke der Welt mit einer im Mekong liegenden Insel verbunden. Nachdem wir am Morgen weit vor der Stadt unsere Vorräte aufgefüllt und mit schweren Vorderradtaschen über sandige Bauabschnitte durch die Vorstadtgebiete gerumpelt sind, rollen die Räder am Mittag über die schwammige und super schwierig zu fahrende Bambuskonstruktion. Der im Voraus kontaktierten Bleibe auf der Insel entgegen. Die Lokation die sich „Bamboohut“ nennt ist fest in französischer Hand, was sich allerdings erst nach und nach herausstellt. Ursprünglich hatten wir gehofft über eine Plattform Namens Helpix genau hier oder an anderer Stelle in Kambodscha eine Arbeit zu finden, um Kost und Logi zu sparen. Doch einfacher gesagt, als letztlich umgesetzt. Denn zwei Wochen sind den meisten zu kurz und die wenigen Angeboten die sich auf handwerkliche Arbeit beziehen, fern ab unserer Route oder mit großen Umwegen verbunden. Sei es drum!

Die Lokation ist relaxed und ansprechend gestaltet, die Unterkunft besteht rein aus Hängematten und der Blick hinüber zum muslimischen Stadtteil, aus dem die Moschee herausragt, ist voller Leben. Doch das Feeling vor Ort hat mit Kambodscha nur begrenzt etwas zu tun. Gesprochen wird überwiegend französisch oder vereinzelt englisch, Preise für Getränke oder einfache Sandwich sind europäischen Ursprungs, das Abendessen besteht und das ist sympathisch, aus einem Menüpunkt, doch Portionierung und Preis/Leistung stehen für uns in keinem Verhältnis. Der Kontrast zu den Tagen zuvor ist immens und das Einfinden in die Situation fällt uns nicht leicht. Auch wundern wir uns über das Inserat in der Helpix Plattform, denn der Bedarf an Helfern scheint für diese Saison mehr als gedeckt. Vor allem wenn gleich vier Helfer mit Mühe ein einfaches Curry zubereiten und am Tag drauf Pizza aus der Stadt kommen lassen. Froh darüber, ausreichend Lebensmittel vorrätig zu haben und eine kleine Küche unser Eigen nennen zu können, kochen wir die nächsten zwei Abende auf der etwas unterhalb gelegenen Bambusplattform mit Blick auf Wasser und Stadtpromenade. Denn um satt zu werden, hätten wir stets das dreifache Menü pro Person bestellen müssen.

Der Seitenarm des Mekongs, der zwischen Insel und muslimischem Stadtteil fließt, ist mit Ausnahme von geschätzten 100m Wasser durchwatend zu passieren. Weshalb wir uns die Brückengebühr sparen, zum Markt zu gleich die schnellste Abkürzung nehmen und uns erfrischend durch die Boote der Fischer hinüber ans andere Ufer schwimmen und winken. Mit dem Erreichen der anderen Seite, betritt man gleich kambodschanischen Boden. Die Cham schmunzeln, da sie uns durch das Wasser schwimmen gesehen haben und weisen uns den Weg vor zur Straße. Mit den wasserdichten Packsäcken, in denen wir Unterlagen und elektrische Geräte untergebracht haben, schlendern wir zum nächsten Eiskaffee mit Internet. Die Idee einen lebendigen Fisch auf dem Markt zu kaufen und diesen für das heutige Abendessen in einem der Packsäcke mit auf die französische Kolonialparzelle zu nehmen hatte ich da bereits verworfen. Denn der Fisch sträubte sich in ganzer Länge und war nur mit Mut und zugegeben viel Glück zurück in die Wanne zu jonglieren, wo er herkam. Erst schwamm der Gute kopfüber, dann fing der Packsack heftig an zu sprudeln und zu strudeln bis er halbseitig über den Rand zu zappeln versuchte. Ein beherzter Griff lässt ihn dann erschrocken Richtung Decke flutschen, wo er mit kurzfristig gutem Überblick zurück in meine glitschigen Hände fällt und wie erwähnt, von dort „Inshalla“ (so Gott will :-)) zurück in die Wanne platscht. Alle Herzen, eingenommen das des Fisches, die Zeuge dieser dämlichen Aktion waren atmen auf. Wir versichern, wir kommen wider und nehmen den leblosen Fisch, das erscheint uns einfacher. Zum Abendessen brutscheln wir bei einfallender Dämmerung Pfannenfisch und knuspern Bananenchips vom Markt, während oberhalb im Bamboohut das heutige Menü gekocht wird und der letzte Abend auf der Insel sich dem Ende neigt.